Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1913

10 „A guata Vergleich,“ rief der Bursche, „nur daß der Hirsch koan Jaga nieder¬ brennt und koan Bruadern über d' Wand abistürzt Der jähzornige Bursche hatte die schwere Anklage in einem heißen Atem¬ zuge herausgehastet; sonst, bei ruhiger Beobachtung seines Gegners, hätte er ich noch mitten im Satze innegehalten so fürchterlich war die Wirkung, welche seine Worte auf den Totenhofer ausübten. Wie eine Tanne hoch auf einsamer Felswart, die der plötzliche Wettersturm angreift, bog sich der Bauer erst zurück und lauschte mit geballten Fäusten auf den schweren Vorwurf, dann mit einem jähen Schrei stürzte er auf einen Widersacher, er faßte ihn mit Riesenstärke an den Schultern und hob ihn so empor wie ein Kind. „Was hast g'sagt?“ keuchte er dabei. „Was hab' i to? Der Elserpeter mühte sich vergebens aus den eisernen Griffen los zu kommen. „Spiel' do net Komödi,“ rief er dabei, „woaßt ja was alles von dir agt seit fünfazwanz'g Jahr'.“ Bei diesen Worten schien dem Toten¬ hofer plötzlich die Erinnerung wieder zu kommen, die ihn erlahmte. Er ließ den Burschen zur Erde nieder, strich sich mit der Hand schwer über die Stirn und murmelte: „Alles seit fünfazwanz'g Jahr'.“ „Aha, dachte der andere. „Jetzt druckt'n 's schlecht' G’wissen. Drauf oder nia. „Sigst, Totenhofer,“ sagte er ver¬ traulich. „Vor mir brauchst di net z' schama — mei Vater hat seinerzeit a am Kirta oan dastochen und is im G'fängnis g'storben — mir g’hören also z'samm' — woaßt, wann s’ mir a o nix merken lassen die Leut drunten und mir schön ins G'sicht tun, unter¬ einander werfens uns zwoa do in da Schüssel. Drum hab’ i g'moant, du — gibst mir dei Dirndl zum Weib nachher is g’sorgt für sie und du brauchst net fürchten, wannst amal deine Augen zudruckst, daß sie schutz¬ und ehrlos dastehen muaß wia a Aus¬ g'stoßene, die jed's auslacht.“ „Wia a Ausg'stoßene, murmelte der Bauer. „Da hab' i no gar nia d'ran denkt, sagte er dann in einem seltsamen Ton, der den Burschen unheimlich an¬ mutete. „Was aus mein'm Dirndl werden sollt' in der Welt, wann i nimmer bin — i muaß rein g’moant haben, i hab's ewige Leben. „Sigst es, Totenhofer, rief der Elserpeter. „Darfst mir no dankbar sei a, weil i di auf solchene Gedanken bracht hab’ — also schlag' ei.“ Da schien der Bauer wieder zur Wirklichkeit zu erwachen. „Na,“ sagte er stolz und hart. „I chlag net ei — aber mei Geduld hat iatzt a End' — mach', daß d’ aus mein Revier 'nauskimmst auf oans — drei — sunst treib' i di zwoa naus wia an lausigen Hund. „Warum?“ rief der andere gehässig und enttäuscht. „Dös kannst a wissen, entgegnete der Totenhofer und richtete sich gerade an seiner Büchse auf. „Weilst a Lump bist und der Sohn von an Lumpen. Wie eine Wildkatze, die einen Schlag ins Gesicht erhielt, sprang der jäh¬ zornige Peter vorwärts, in blinder Wut die Stärke seines Gegners ver¬ gessend, aber im nächsten Augenblick taumelte er unter dem Stoße, den ihm der Bauer versetzte, zurück und kollerte einigemale übereinander. Als er sich wieder aufraffte, las er feig und scheu in lautloser Hast sein Hütl vom Boden auf; aber Todfeindschaft gegen den dort war ihm ins Herz geschrieben von dieser Stunde an. Der Totenhofer wandte sich, den abgeschüttelten Gegner keines Blickes mehr würdigend, dem Hofe zu. Kaum aber war er zehn Schritte weit gegangen, da raschelte es im Gebüsch und eine Gestalt bog sich aus dem Dunkel.

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