6 wärts und unterdrückte mit Mühe, so lange sie sich von ihm vernommen glaubte, ihr Schluchzen. Toni stand wie vom Blitz getroffen. Was war das gewesen? Ihm ein Schlag ins Gesicht, den noch nie einer berührt hatte, den selbst der eigene Vater, seinen stolzen Sinn achtend, niemals gezüchtigt hatte. Und die ge¬ rade — die auf der Schande saß seit der Geburt. Er kannte sich selbst nicht mehr er wußte nicht, was er tat — aber so laut seine Erregung es zuließ, rief er ihr nach: „Am Johannisabend, unten im Dorf beim Sonnwendfeuer, da er¬ wart' i di — wannst a Schneid im Leib hast, kummst — da zahl' i dir dein Schlag nachher hoam. Jetzt erschien neben ihm über dem Steingeröll das von Hohn und Leiden¬ schaft verzerrte Gesicht Peters. „He,“ spottete er laut lachend, „ver¬ geht's dir iatzt mit den Totenhoferischen anz'binden? Gel, die reden a kräftige Sprach'! 's is ganz die Mundart von ihrem Vatern — der hat a net lang g’wörtelt — die Wand da woaß.“ „I zahl's ihr!“ keuchte Toni und drohte zurück nach der Richtung, in welcher das Mädchen verschwunden war. „Ich zahl's ihr hoam und ihrem Vatern — n Moosgrunder schlagt koans ung'straft.“ In den Augen seines Gefährten lachte die Schadenfreude. Wie er es ihm gönnte — dem reichen, hoch¬ mütigen Burschen, daß er auch einmal einen Fleck auf der Ehr' sitzen hatte einen Schlag mitten ins Gesicht von einem Mädchen — und gerade von dem Mädchen. Und daneben hatte der Elserpeter noch eine andere Empfindung, die ihn hätte laut aufjauchzen lassen mögen. Nach dem Schlage war's für ewig aus und Amen mit den Zweien — die gingen einander im Leben nichts mehr an, wie sonst wohl zwischen zwei so hübschen jungen Menschen trotz allem Unterschied zu sorgen gewesen wäre und wie er vorhin gesorgt hatte. Denn der Elserpeter liebte Agathe wahn¬ sinnig — wenn er's sich noch nie zu¬ gestanden hatte, jetzt wußte er's wie sie vorhin so stolz und hoch da oben stand und die Beleidigungen des hochmütigen Burschen Schlag um Schlag zurückwies, am liebsten wäre er da hinauf gesprungen und hätte den anderen niedergeworfen und ihm zu¬ gerufen: Willst du sie wohl in Frieden lassen — die ist mem — sie muß mein werden ob sie mag oder nicht. Während das geschah, schmückte der Bucklige unten sein Marterl und sprach ein stilles Gebet. „Sag eahm nix,“ flüsterte Toni, als sie ihm näher kamen. „Koa Mensch darf vorerst was wissen davo nimm di in acht. „Hat koa G'fahr,“ entgegnete Peter falsch. „I sag' nix. Agathe war die Geröllhalde empor¬ geeilt wie ein gescheuchtes Reh. Erst hoch oben, als der Fußpradgen die Röslalm einbog, hielt sie erschöpft inne und kniete laut weient nieder, ihren Kopf gegen einen mösssbewach¬ enen Felsblock gelehnt. Es war der erste große Schmerz, der die Seele des jungen Mädchens durchbebte. Sorgsam behütet als das junge Kleinod, welches der Totenhofer besaß, war sie in einem bergeinsamen Haus ungekränkt aufgewachsen, ohne Kenntnis von den Ränken und Reden, die man draußen schmiedete. Ihre Mutter war sehr frühzeitig gestorben der einzige Mensch, an dem sie mit all dem Reichtum eines reinen, innigen Gemüts in Liebe und Verehrung hing, war ihr Vater. Und diesen hatte nun plötzlich ein Fremder aufs tiefste beleidigt, ein Bursche, dessen erster Eindruck auf sie ein überaus günstiger gewesen war, ein junger Mann, wie sie noch keinen gesehen — so hübsch, so stattlich und von einem Stolz, der selbst der vor¬
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