Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1913

Mit einem Sprung stand Peter an seiner Seite. „I will aber net, daß d’ ihr begegnetst da, zischte er. „Geh' mit uns.“ Kräftig schüttelte Toni die Hand des andern ab. „Seit wann hab' i auf dein Willen z' achten!“ rief er. „Bist eppa eifersüchti?“ Mit einem unterdrückten Fluche sprang der andere vor diesem Vor¬ wurfe scheu auf die Seite und folgte dem Buckligen, der indessen schon ein paar hundert Schritte tiefer angelangt war und sich um das, was hinter ihm vorging, nicht mehr zu kümmern schien. Nicht so der Elserpeter. Geräuschlos, vorsichtig, jeden rollen¬ den Stein vermeidend, schlich er##nige Mannslängen abwärts von Tonis Pfad neben diesem her und lauschte gespannt nach oben. * Mit keckem Schritt, das Hütl im — Nagen und den „Bergstock weit aus¬ setzend—stieg Tom abwärts. Es war ihm just so als müßt' er mit jemand anbinden den er nicht leiden mochte, obwohl esihn noch gar nicht kannte. Aber schon das bloße Bewußtsein, daß die, die da ahnungslos gegen ihn heraufstieg, die Tochter eines Mannes war, auf dem Schimpf und Schande aß, erboste den stolzen Bauernsohn und er fühlte etwas wie einen Beruf in sich, ihr einmal die öffentliche Mei¬ nung ins Gesicht zu sagen, damit sie wüßte, wie die im Tal unten von ihr ie dächten und um wie viel besser eien — vor allem er selber auch. Da an einer Wendung des Weges tanden sie plötzlich voreinander beide stumm vor Staunen. Das liebliche Gesicht mit den tiefen, dunklen Augen, welches ihm das Mädchen zuwendete, entwaffnete den abwärtsschreitenden Burschen von seinem ganzen hochmütigen Zorn und die helle Bewunderung leuchtete für einen Moment aus seinen Augen. Agathe aber, des Totenhofers Kind, 5 die nicht gewohnt war, auf ihren ein¬ amen Wegen überhaupt einen Men¬ schen anzutreffen, war tief befangen beim Anblick des schönen, stolzen Bur¬ schen, der ihr plötzlich gegenüberstand. Doch faßte sie sich zuerst. Die Ein¬ amkeit, in der der Mensch weit öfter als unter vielen auf sich angewiesen ist und seinen Charakter mehr vertieft, hatte ihr einen entschlossenen Sinn in sie allen Lebenslagen gegeben, der auch jetzt nicht verließ. Sie bog zur Seite und wollte an dem Burschen vorüber. „Oho,“ rief er da, seinen Trotz wieder findend und zornig über die Nicht¬ beachtung seiner Person, „gibt's bei euch da herob'n koan Gruß, mann ma 77 dam begegnet? Jetzt hielt das Mädchen an und sah ihm gerade ins Gesicht, das sich im Unmut rötet. „J kenn' di net, sagte sie ruhig. „I bin der Moosgrundtoni,“ ant¬ wortete er und warf sich in die Brust. „Aber i kenn di — du bist dem Toten¬ hofer sei Dirndl.“ Er hattte die Mundwinkel verächtlich herabgezogen — es war ihr nicht ent¬ gangen. Was wollte er mit seiner hochmütigen Geringschätzung? „Dös bin i, entgegnete sie ihm, „und der Totenhof is net schlechter wia der eure. Drum mach' jatzt den Weg frei und geh’ den dein. * „Net schlechter,“ schrie er zornig; denn ihre vornehme Ruhe ergrimmte ihn. „Der Hof mag guat sein, aber der Hofer taugt nix. Im selben Augenblick brannte etwas auf seiner Wange. Die schwere, unver¬ mutete Beleidigung ihres Vaters hatte das stille, in ihrer Bergeinsamkeit bis jetzt ungekränkt aufgewachsene Mädchen zu einem Tun hingerissen, worüber sie im nächsten Augenblick bis in die — sie hatte ihm tiefste Seele erschrack einen Schlag mit der Hand ins Ge¬ sicht versetzt. Jetzt aber floh sie und lief hastig, von tötlicher Scham getrieben, auf¬

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2