Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1913

2 immer beisammen, so wenig sie zu¬ sammen stimmten. Jetzt bog ihr Weg um eine steile Felswand, und ein stilles, enges Berg¬ tal lag vor ihnen Toni beschattete die Augen mit der Hand und ließ die Blicke über den friedlichen Erdenfleck gleiten. „Der Totenhof!“ murmelte er dabei vor sich hin, als er das weiße, schier feierliche Gebäude betrachtete, das zu seinen Füßen an die steile Wand hin¬ geklebt war — einsam und verlassen die einzige menschliche Wohnung in diesem Hochtal. Ein dumpfes Brausen tönte dabei zu ihm hinauf — von dem Wasser, das hinter dem Haus in der Höhle in eine Schlucht hinunter¬ sprang — gesehen hatte er's noch nicht, man erzählte bloß so. „Der hätt' sich's a amal net träumen lassen,“ meinte jetzt der Elserpeter höhnisch, wie er mit seinem Kameraden bei Toni ankam, „daß er da drunten versauert und verkimmt als Toten¬ hofer!“ „No, warum net?“ antwortete der Bucklige. „Ist ja a Fleckl Erden, wia ma's net schöner malen kunnt — da möcht' i glei a hausen!“ „Haus',“ spottete der andere, „mit dem sein'm G’wissen!“ „Was hat er denn eigentlich auf'm G’wissen? mischte sich jetzt Toni drein „Ma hört alleweil munkeln und tuscheln aber mie hab' i no 's Richtige rausbracht. „Glaub's scho,“ lachte Peter, „das ma's dir net auf d'Nasen bind't. Bist ja jatz eing'sessen als Sohn auf dem Hof, der amal eahm g’hört hat. „Was? Der Moosgrund hätt' dem Totenhofer g’hört?“ fuhr Toni auf. „Freili,“ nickte der bucklige Gregori, „bis vor fünfazwanzig Jahr — nachher soll's passiert sein. „Was denn?“ frug der andere. „Ja, was denn?“ lachte Peter hämisch. „Da die Wand kunnt's er¬ zähl'n — d' Menschen aber wissen nix gonz Genau's. Nur so viel is sicher, daß der alte Moosgrunder zwei Söhn' —— g’habt hat an jetzigen Totenhofer und sein Erstgeborenen, den hat alles an wilden Kaspar’ g’heißen, weil eahm koa Stückl z' gach und z' verwegen g’wesen is. Der Totenhofer aber war a herrischer Bursch; so kloani Leut wic uns, verstehst, Gregori“ — die Stimme des Burschen zitterte vor unterdrücktem Haß — „hat's für eahm überhaupt nicht geb’n. Aber amal is halt doch sei Stund' a kommen. Er hat si va¬ 7 liabt Der Bucklige hatte sich auf einen Felsblock gesetzt und den Kopf in die Hände gestützt. Einen Moment streifte Peters Blick wie mit einer scheuen Frage zu ihm hinüber. „Vazal' nur weiter,“ antwortete er, „amal erfahrt's der Toni doch besser von uns als von andern.“ „Guat, er hat si valiabt,“ fuhr Peter weiter fort; „und zwar in den Gregori ei Muatta. „In dei Muatta?“ rief Toni in höchstem Staunen dem armen Buckligen zu, dessen Gesicht sich mit einer dunklen Röte bedeckt hatte. „Ja, hast denn du „Red' nur aus, was d’ sagen hast wollen,“ entgegnete der Krüppel leise „Ja, hast denn du überhaupt a Muatta g’habt? —.— i „Freili hab oane g’habt, Toni, mit an Herzen so voll Muatterlieb' wie der reichsten Bäurin ihr's und mit an G'sichtl so schön und rein wie's Muattergottesbild in der Gnadenkapell'n — aber kennt hab' is kaum, da war's weg. „I hab' dir ja net weh tuan woll'n, agte Toni mitleidig und legte den Burschen die Hand auf die Schulter. „Es is mir nur so rausg'fahr'n.“ „Laß nur,“ antwortete der andere. „Di kenn' i ja. Warst allweil guat mit mir. Weh tuat's scho von selber. „Guat,“ fuhr Peter fort, „der da drunt valiabt si wia narrisch in sein'm Vatern sei arme Senndirn und, wias der Teixel hab'n will, sei eigener

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2