Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1913

EXXVIII auf den Hauptplatz bewegte. In ihren altertümlichen, farbenprächtigen Trachten eilen sie von allen Seiten zu Fuß und zu Wagen zum Schloßhofe. Zehn Minu¬ ten später erscholl ein Trompetensignal und das Vorspiel begann. Als der Ruf der Spieler ertönte, „Der Herzog kommt“, erklangen schon von fernher Fanfaren, denn der Zug bewegte sich bereits zum Hauptplatze. Voran ritten auf Schimmeln vier städtische Fanfaren¬ bläser; diesen folgten der Zugsmarschall, zwei Herolde mit den Standarten der Babenberger und der Stadt Enns, der städtische Rottenmeister an der Spitze von zehn wehrhaften Bürgern, Bürgers¬ söhne und Bürgerstöchter, Bürger und Bürgerinnen; sechs Ratsherren, zwei Bürger, das Stadtschwert und die Tor¬ schlüssel tragend, der Stadtrichter, der Anführer der herzoglichen Kriegsman¬ nen, der Kanzler, tragend die Urkunde mit dem daran hängenden Siegel, gelei¬ tet von zwei Reisigen, Herzog Leopold der Glorreiche und dessen Ritter als Gefolge, dieser und das Gefolge hoch zu Roß. Der Herzog, die Ratsherren, Stadtrichter und Bürger, sowie die Pa¬ trizierfrauen begaben sich in das Zelt, während vor diesem das Gefolge, die Bürgersmädchen und Bürgerssöhne Auf¬ stellung nahmen. Es war ein herrliches Bild, welches sich dort bot, das nock gewonnen hätte, wenn der Raum nicht so eng begrenzt gewesen wäre. Nach 3 Uhr begann das Festspiel. Das Festspiel Bermanschlä¬ gers beginnt mit einem Vorspiel. Land¬ leute, Bürger, Soldknechte treffen sich in dem festlich geschmückten Enns und verwundert fragt ein Bauer nach der Ursache des Festschmuckes. Da erfährt er, daß die Ennser Bürger heute Städter werden. Dem Bauer geht nicht ein, was das für ein besonderer Vorteil sein solle, was könne denn dadurch sich so vieles ändern und wegwerfend meint er, kein Krügel Most ist euer Stadtrecht wert. Da unternimmt es nun ein Kaufmann, dessen Vater schon weit gereist war in deutschen Landen, auseinanderzusetzen, was alles für Freiheiten ein Stadt¬ recht bringe. Und als der Herzog an¬ kommt, den Bürgern von Enns das Stadtrecht zu verleihen, da begrüßen ihn allgemeine Heilrufe. In feierlichem Zuge erscheint der Herzog, ein Herold hoch zu Roß erhebt sich in den Steigbügeln und kündigt das Nahen des Herzogs an. Zu beiden Seiten der Tribünen bildet nun die Begleitung des Herzogs Spalier, dieser aber und mit seinem Gefolge nimmt auf der Tribüne Platz und wird nun von dem Juder (Rich¬ ter) und dem Rat ehrfurchtsvoll be¬ grüßt. Er nimmt den Ennsern den Treu¬ eid ab. Dann aber auf die Bitte des Ju¬ der hin befiehlt er dem Kanzler, die Stadtrechtsurkunde, die ein Page ihm darreicht, zu verlesen. Der Kanzler folgt dem herzoglichen Befehl und kündigt nun den Bürgern von Enns die Freiheiten des Stadtrechtes, das ihnen Herzog Leo¬ pold der Glorreiche verleiht, an. Der Juder dankt namens der neuen Stadt dem Herzog für die große Gnade. „Nicht alle Städte,“ sagt er, „dürfen sich rühmen, ihr kostbar Recht im Schrein verbrieft zu haben“ und die Menge bricht aber¬ mals in Heil=Rufe auf den Herzog aus. Nun tritt der Minnesänger Herrand von Wildon aus dem Gefolge des Herzogs, denn an dem kunstfreudigen Hofe der Babenberger durfte der Sänger nicht fehlen. Es wurde vorzüglich gespielt und die Darsteller der Hauptfiguren im Vor¬ spiel und Spiel sprachen mit lauter, kräftiger Stimme und mit großem Ver¬ ständnis ihre Rollen, auch die kleineren Rollen waren glücklich besetzt, so daß das Festspiel einen großen Erfolg gehabt hätte, wenn es in einem geschlossenen Raume zur Darstellung gebracht worden wäre. Ungemein gefiel der Reigen, von den Bürgersmädchen und =Söhnen auf¬ geführt; er fand lauten Beifall. Um die Vorführung machten sich sehr verdient: Herr Beierl und Tanz¬ meister Horn, sowie in erster Linie der

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