LXII und gepriesen weit hinauf und hinab in den schönen Gauen der Steyr und der Enns. Saß er aber nach getaner Tages¬ müh allein auf dem Bänkchen vor sei¬ ner Hütte und blickte hinab auf das herrliche Tal der Steyr zu seinen Füßen, dann strichen seine nun mageren und vom Alter ungelenken Finger unwill¬ kürlich und leise durch den langen, schnee¬ weisen Bart und er gedachte längst ent¬ schwundener Zeiten. Dann erwog er immer, was höher zu schätzen und für den Menschen nützlicher sei, Gold, oder die Kenntnis vom Wesen auch des unscheinbarsten Dinges in der Natur, und immer wieder be¬ wegten dann die Worte des Berg¬ männchens gar mächtig seinen nie rasten¬ den Geist, der es doch nicht zu erfassen vermochte, welchen Zweck es von der Natur aus wohl haben könnte, das Kreuz in der Nuß! II. Das Rätsel. Im Jahre 876 n. Chr. herrschte im heutigen Oberösterreich, dem Traungaue, wie das Land damals hieß, Graf Aribo und suchte aus dem großen Völkerwirrsal, das der Traungau da¬ mals bot, ein festes Reich zu schaffen. Im Traungau und besonders in der Gegend, wo heute die schöne Stadt Steyr sich ausbreitet, ging es sehr leb¬ haft zu, aber es war kein Leben des Schaffens, des Erwerbens, eher jenes des Zerstörens. Der tatenlose König der Franken, Karl der Dicke,*) war guten Willens, in seinen Landen Ord¬ nung zu machen, allein Wille und Macht sind verschiedene Dinge und so kam es, daß er an die Ostgrenzen sei¬ nes großen Reiches zwar tüchtige Män¬ ner als Verwalter berief, welche auch diese Grenzen treu behüteten, allein un¬ ter sich in stetem Kampfe lebten. *) Karl der Dicke war ein Sohn des ersten deutschen Königs, des Ostfranken Ludwig des Deutschen. Im Jahre 884 vereinigte Karl der Dicke das gesamte Frankreich, heute Deutschland und Frankreich, wurde aber 887 abgesetzt. In der Ostmark geboten die Mark¬ grafen Wilhelm und Engelschalk, zwei recht rüde Herren, welche den Traun¬ gauer Aribo*) arg befehdeten und ihn mehrmals aus seinen Landen vertrie¬ ben. In der Ostmark und im Traun¬ gau schoben und drängten sich gar vie¬ lerlei Völkerschaften durcheinander. Die vom Frankenkönige ernannten Mark¬ grafen brachten Deutsche aller Stämme mit, welche die in den Marken an¬ sässigen Slawen und Avaren teils ver¬ trieben, teils in sich verschmolzen und an der Leitha standen die noch heidni schen Ungarn, jeden Augenblick bereit, ihre Raubzüge nach Deutschland hinein von neuem zu beginnen. So herrschte in den Marken überall Kampf, Mord und Totschlag und der Raub war fast zum Gewohnheitsrecht geworden. Styra, so hieß damals das heu¬ tige Steyr, lag in Ruinen, nur auf den Trümmern der alten Römerburg droben am Felsenhügel am Zusammen¬ flusse der Enns und der Steyr, hatte sich Graf Aribo so eine Art Notburg errichtet, wo er zeitweilig weilte, von wo aus er seine Anordnungen zur Ver¬ waltung des Traungaues erließ und wo er auch Recht sprach. Recht! Das war in dieser bunt¬ bewegten Zeit aber der wundeste Punkt unter den vielen wunden Stellen im Traungau, denn jeder wollte allein recht haben und nahm sich das Recht, wenn er konnte, nach dem Spruchworte „Gesetz ist nur ein Ausfluß der Macht und recht hat der, welcher die Macht hat!“ Für Abenteurer aller Art war da¬ her der Traungau der Himmel auf Er¬ den und Strauchritter und sonstige frag¬ liche Gestalten gab es die schwer Menge, daher das Rechtsverfa ehr verwickelt und gewöhn war. *) Aribo=ist der kare, unter welchen dieses Geschlechtes auf der Jagd vor
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