Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1912

und die Beschlußfassung über einzelne, die Beseitigung besonders schwerer Mängel der Verwaltung bezweckende Reformentwürfe oblag. Am 5. Juni 1911 nahm die Ver¬ ammlung die Revisionsvorlage an. Am 10. Juni stimmte die Nationalversammlung einem Antrag zu, demzufolge die Sessions¬ dauer derselben verlängert wurde, und sie damit aus einer revisionistischen in eine legislative Versammlung umgebildet er¬ schien. Rumänien. Am 4. Jänner 1911 gab das Ministerium Bratiano seine Demission, um einem kon¬ servativen Ministerium Carp Platz zu machen. Am 23 Jänner wurden dann die Kammern aufgelöst; die vom 29. Februar bis 18. März stattgefundenen Wahlen für re¬ Deputiertenkammer und Senat ergaben gierungsfreundliche Majoritäten. Serbien. Am 30. Juni 1911 gab das Kabinett Pasië wegen des immer wahrnehmbareren Auflösungsprozesses innerhalb der radikalen Koalition seine Demission. Die unmittel¬ bare Ursache war ein Konflikt zwischen dem Finanzminister Protis und dem Handels¬ minister Prodanovié. Bulgarien. Am 22. März 1911 gab das demokra¬ tische, bereits seit längerer Zeit in seiner Regierungskraft geschwächte Kabinett Ma¬ linow mit Rücksicht auf die akut gewordene Frage der Durchführung der Wahlen für die große (revisionistische) Nationalver¬ sammlung seine Demission und trat an seine Stelle ein nationalistisch=progres¬ sistisches Ministerium Geschow, dessen erste Aufgabe es war, diese Wahlen zu leiten. Dieselben fanden am 18. Juni statt und ergaben eine große Mehrheit für die Re¬ gierung, so daß diese mit Beruhigung dem für den 22. Juni nach Tirnowo bestimmten Zusammentritte der großen Nationalver¬ sammlung entgegensehen konnte, die im Sinne der diesfalls von der Sobranje ge¬ faßten Beschlüsse bestimmt war, Bulgarien eine den neuen, durch die Unabhängigkeits¬ erklärung geschaffenen Verhältnissen ange¬ paßte Verfassung zu geben. Als Opposition 93 gegen die geplante Verfassungsänderung kamen fast nur die gewählten 42 Bauern¬ bündler in Betracht, die sich denn auch schon in der Eröffnungssitzung durch ihre feindliche Haltung gegen König Ferdinand bemerkbar machten. Bis zum Schlusse der Berichtsperiode hatte die Versammlung die ihr gewordene Aufgabe noch nicht vollstän¬ dig gelöst, wohl aber am 30. Juni 1911 die Verfassungsvorlage vorläufig in erster Lesung angenommen. Montenegro. Am 20. August 1910 begannen im Reich der schwarzen Berge eine Reihe von Fest¬ lichkeiten, die der fünfzigsten Wiederkehr des Tages galten, an dem Fürst Nikolaus Mirko Petrovic an die Spitze seines wil¬ den, tapferen Bergvolkes trat. Es war dies der 13. August 1860. Gleichzeitig galten die Festlichkeiten auch der goldenen Hoch¬ zeit des Fürstenpaares, denn am 8. No¬ vember 1860 hatte sich Fürst Nikolaus mit Milena Petrowska Vukoticewa ver¬ mählt. Am 28. August votierte die Skupschtina mit Zustimmung des Fürsten durch ein eigenes Gesetz die Erhebung Montenegros zum Königreich und die Er¬ nennung des Fürsten Nikolaus zum „König von Montenegro“. Am Tage darauf wurde das Königspaar in der Cetinjer Kirche Blaschka Erkva, wo vor 50 Jahren die Trauung des Fürstenpaares stattgefunden hatte, nochmals kirchlich ein¬ gesegnet Afrika. Marokko. Das Land will nicht zur Ruhe kommen. Unbotmäßige Stämme, herrschaftslüsterne Prätendenten bedrohten und bedrohen noch den Herrscher, dem es daher sehr willkommen war, daß die Fran¬ von zosen, auf ihre Polizeigewalt pochend, Fez Casablanca bis in die Residenzstadt und Ordnung zu schaffen vordrangen — Das den Sultan Muley Hafid zu schützen auch Vorgehen der Franzosen begeisterte die Spanier, von ihren afrikanischen Stütz¬ punkten weiter ins Innere zu dringen, um ebenso Polizei zu spielen. Beide Reiche beteuern zwar ihre vollständige Uneigen¬ nützigkeit, beide aber glauben nicht daran und ist es nicht ausgeschlossen, daß aus der

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