78 beim Unterrichtsminister Grafen Stürgkh zum Mittelpunkt hatten und der Jubilarin vielfache Ehrungen und Auszeichnungen brachten. Ein Ereignis von hohem allseitigen In¬ teresse, welches wohl in die Berichtsperiode, aber doch außerhalb des Rahmens der hier weiterhin zu behandelnden politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Er¬ eignisse in Österreich=Ungarn fällt, ist die am 6. Mai 1911 durch den gerichtlichen Senat des Obersthofmarschallamtes erfolgte Todeserklärung Johann Orths. Der be¬ zügliche Beschluß lautet dahin, daß der Beweis des Todes des am 25. November 1852 geborenen, sich Johann Orth be¬ nennenden, seit dem 12. Juli 1890 ver¬ schollenen Erzherzogs Johann Salvator hergestellt sei; es sei bewiesen, daß er den 21. Juli 1890 nicht überlebt habe und es habe daher dieser Tag als sein Todestag — Dieser Beschluß stützt sich zu gelten. darauf, daß Erzherzog Johann Salvator nachdem der Kaiser mit Handschreiben vom 16. Oktober 1889 seine Verzichtleistung auf das Recht, als Prinz des kaiserlichen Hauses öffentlich angesehen und behandelt zu werden, genehmigt und ihm die An¬ nahme eines bürgerlichen Namens gestattet hat, sich unter dem Namen Johann Orth dem Seemannsberuf widmete, ein Segel¬ schiff erwarb, mit diesem ins Ausland reiste und seit dem Sommer 1890 ver¬ schollen ist; ferner auf die speziellen Fest¬ stellungen, daß Johann Orth — und zwar mit seiner Gattin Milli geb. Stubel, einer ehemaligen Soubrette — als Kapitän seines Schiffes „Santa Margareta“ am 12. Juli 1890 von Porto La Plata mit der Bestimmung nach Valparaiso in See gegangen ist, daß die „Santa Margareta“ auf dieser Reise mit der ganzen Besatzung untergegangen ist (wobei angenommen wurde, daß das genannte Schiff auf der Reise von Montevideo nach Chile in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 1890 während der Bordwache zwischen Mitter¬ nacht und 4 Uhr morgens in der Höhe von Cap Tres Puntas oder Poerto Descado in einer Entfernung von ungefähr 100 See¬ meilen vom Festland infolge eines Orkans des mit Böen aus östlicher Richtung — nach einem dem Sturme entgangenen Dampfer benannten, berüchtigten „Kam¬ byses=Sturmes“ — untergegangen sein dürf¬ te), daß kein Grund erfindlich ist, warum Johann Orth, wenn er lebte, sich verborgen halten sollte, und daß auch keine der auf die (über Ansuchen eines Neffen Johann Orths, Erzherzog Josef Ferdinand) am 6. Juli 1910 erlassene und am 10. Juli 1910 verlautbarte Ediktalzitation eingelau¬ fenen Nachrichten dieser Annahme ent¬ gegenstehen. — Mit der Todeserklärung des Erzherzogs Johann Salvator (Johann Orth) ist ein fesselnder Roman aus den höchsten Höhen der menschlichen Gesellschaft, das erschütternde Drama eines edlen, hoch¬ strebenden, bedeutenden Menschen zum Abschluß gelangt. * * * Die Beziehungen zwischen den beiden Hälften der österreichisch=ungarischen Mon¬ archie haben sich seit der am 17. Jänner 1910 erfolgten definitiven Ernennung des am Schlusse unserer Berichtsepoche noch am Ruder befindlichen Kabinetts Khuen¬ Hedervary in Ungarn entschieden zum besseren gewendet. Dem ernsten und guten Willen beider Regierungen ist es in der Berichtsperiode gelungen, in zwei für beide Teile der Monarchie gleich wichtigen Fragen, der Bank= inklusive Barzahlungs¬ frage und der Wehrfrage, eine beiden Teilen zum Vorteile gereichende Überein¬ stimmung zu erzielen, und wenn auch die diesbezüglich von den Regierungen verein¬ barten Vorlagen, von denen die eine Gruppe die für das wirtschaftliche Gedeiher der gesamten Monarchie so bedeutsame Festlegung der Bankgemeinsamkeit für län¬ gere Zeit und die andere Gruppe die Ab¬ kürzung der Wehrpflicht (eine zweijährig Dienstzeit), die Erhöhung des Rekruten¬ kontingents sowie die dringend notwendige Überführung der Militärstrafprozedur auf eine moderne Grundlage bezweckt — mit Ausnahme der Bankvorlage in Ungarn noch nicht ihre parlamentarische Erledigung gefunden, so steht doch zu erwarten, daß dies in nicht allzu ferner Zeit geschehen wird. In der Bankfrage mußten allerdings wiederholte Verlängerungen des Bankpro¬ visoriums über kritische Momente hinweghelfen &
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