Verhält sie sich hatte nichts zu hoffen. so ablehnend zu Geimanns Werbung, war von ihm die Rettung ihres Vaters nicht zu erwarten, dazu aber wird sie nie den Mut finden, seine Werbung an¬ zunehmen, damit sie und ihr Vater noch ein paar Jahre eine Scheinexistenz führen können. Sie will nicht, daß es vom Glück, vom Erfolg des Schaffens ihres Vaters abhängt, ob dem Arglosen sein Vermögen bleibt oder ob es in den Ruin mit hinabgezerrt wird. Sobald der Entschluß fest in ihr wird, verliert ihr Antlitz das unruhige Zucken, ein mutiger, entschlossener Ausdruck malt sich in ihren Zügen. Es ist hell geworden, und das Mor¬ genlicht flutet durchs Zimmer. Helene fährt aus ihrer Versunkenheit auf. Nun ist's Zeit, mit dem Vater zu sprechen, er wird schon erwacht sein. Als sie ihm gegenübertritt, erkennt sie, daß auch er nicht geschlafen hat. Ein großes Mitleid faßt sie plötzlich an. Sie muß nun auch seine letzte Hoffnung zer¬ stören. Doch sie kann nicht anders. Sie reicht dem Vater die Hand. Bewegt sieht sie in sein verhärmtes Gesicht. „Lieber Papa! Du mußt mir verzeihen, aber es gibt keine Besserung für uns durch — durch Herrn Geimann. Hoffe, erwarte nichts von ihm. Ich will nicht, daß er sein Vermögen einsetzt für uns. Es wird auch gar nicht dazu kommen. Denn —“ und nun stößt sie es leiden¬ schaftlich hervor — „denn er wird heute nur kommen, um bei dir um meine Hand anzuhalten; er wird die Gründe wissen wollen, warum ich mich gestern abweisend verhielt gegen sein Werben, er wird sich deine Fürsprache erbitten; dann, Papa, dann laß mich nicht erst holen, sage ihm, was du willst: daß ich einen anderen liebe — unglücklich bin oder was du willst. Die Wahrheit — können wir ihm ja doch nicht einge¬ stehen. Vielleicht kommt dir noch Hilfe und Rettung von anderer Seite. Du darfst deinen Ruin nicht früher be¬ kanntgeben, als bis dies unvermeidlich geworden ist.“ 59 Griftner, der mit großem, starrem Blick zugehört hatte, schüttelte den Kopf. „Eine andere Rettung gibt es nicht mehr für mich.“ Helenens Stimme klang weich. „Dann müssen wir's über uns hereinbrechen lassen, Papa, wie es eben kommt. Aber wir wollen ehrlich bleiben, gelt? Es ist besser so. Kommst du auch mit Gei¬ manns Vermögen wieder nach oben das Neuerworbene würde dich doch nie reuen, denn es würde durch einen Betrug erworben sein, und immer würde eine Schuld deine Seele be¬ lasten. Wir sind ja gesund, lieber Vater, und erwerbsfähig, wir wol¬ len arbeiten; und wenn wir auch fortan ein einfaches Leben führen müssen, unser Herz wird leicht und fröhlich sein. Wir dürfen niemand mit vollem Bewußtsein und schlechter Ab¬ sicht ins Unglück zerren. Eine Gewähr dafür hast du nicht, daß Geimanns Geld dich rettet. Und sieh', Papa, wenn du —was der Himmel verhüte! — nicht so lange leben solltest, bis deine Firmma allen Ansprüchen genügen könnte, dann müßte Geimann uns ver¬ achten. Das aber darf nicht sein. Griftner nickte, aus seinem bleichen Gesicht aber sprachen Schmerz und Hoffnungslosigkeit. Und eine Schwäche wandelte ihn an, daß er sich plötzlich setzen mußte. Dann sagte er leise, mit zitternder Stimme: „Du hast recht, Helene! Aber es tut so weh, sein Haus ohne eigenes Verschulden fallen zu ehen, fallen, trotzdem man von jeher seine Pflicht getan. Es tut weh, das alte Geschäft, das schon mein Gro߬ vater geführt, das ich so lieb gewonnen, daß mein Leben darin wurzelt, stürzen zu sehen!“ Eine Hand über die Augen deckend, stöhnte er vor innerer Qual. Helene kniete vor ihm nieder und streichelte seine Rechte. „Lieber, armer Papa! Griftner ließ die Hand wieder sinken. Sein trostloser Blick glitt über das Antlitz der Tochter. „Wäre uns Gei¬ mann fremd, so würde die Hilfe aus
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