Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1912

Kleptomanie. Humoreske vonFr. Oflenburg. 8 Sätze, die Erika aufs Tiefste erregten. Wräulein Erike von Brandon Sie lauteten: „Hoffentlich wird mein war vor kurzem von der 94 Bruder bei euch bleiben können! Ich 8, Pension ins Vaterhaus zurück¬ S gekehrt und nun sollte sie wäre sehr froh, hätte dann nicht so viel Sorge seinetwegen! Ich bitte dich, hüte die dem Haushalt des Vaters vor¬ dich vor ihm. Halt' die Augen offen, stehende Tante — eine Mutter hatte daß er nicht dein Bestes, Teuerstes an Erike nicht mehr — in die Gesellschaft sich nimmt! Laß ihn jungen Damen einführen. Gute Gelegenheit dazu war nicht zu nahe, nicht zu viel verkehren da, denn gerade jetzt fanden die meisten „ mit solchen! Wache sorgfaltig, er ist Bälle und Feste statt. Das nötige Alter gefährlich — leidet förmlich an Klepto¬ hatte Erika auch, sie zählte volle acht¬ manie! Deine Amalie. zehn Jahre. Einesteils freute sie sich sehr Erika ließ den Brief zur Erde fallen, auf ihren ersten Ball; andernteils aber mit blassem Gesichte faltete sie er¬ fürchtete sie sich ein wenig; wenn sie — an schrocken die Hände. Ach Gott nun ohne Tänzer blieb? Ach, es ist Kleptomanie! Und so einen Menschen etwas Trauriges um so ein Mauer¬ ließen seine Angehörigen allein fort! blümchen! — Erika empfand Furcht vor ihm Da aber brachte ihr die Tante am aber, aber, sie mußte diese Furcht be¬ Tage vor dem ersten Ball eine gute zwingen. Amalie bewies ihr so großes Botschaft. Sie kam mit einem Brief in Vertrauen und darum war sie es ihr der Hand in Erikas Wohnzimmerchen. schuldig, über deren Bruder zu wachen, „Da, ein Brief für dich!“ sagte sie — In einer als wäre er ihr eigener. „Ich denke, er ist von deiner Pensions¬ — wahren Herzensangst durchlebte Erika freundin Amalie! Ihre Mutter du die Stunden bis zur Ankunft Friedrich weißt ja, daß sie zu meinem seligen Mann verwandt war — hat auch mir Denkels. Als er kam, staunte sie über die geschrieben. Sie ersucht mich, ihren Schönheit des jungen Mannes; welch Sohn Friedrich für einige Wochen bei feine Züge er hatte, wie wunderschön uns aufzunehmen, da er sich die Stadt blau und seelenvoll seine Augen waren! hier ein wenig ansehen will! Seine Und das lockige Blondhaar fiel so reiz¬ Mutter fürchtet, unter fremden Leuten voll über einen Teil der schönen hoch¬ könnteker in schlechten Umgang geraten gewölbten Stirne! Und so ein armer darum ist ihr die Aufsicht des Papa „ unglucklicher Mensch! Erika empfand sehr wünschenswert! Dies finde ich frei¬ das tiefste Mitleid im Herzen mit ihm lich töricht, so ein junger Mann von 22 Jahren tut doch immer was er will! und darum lag Seelengüte in jedem — Blick, den sie auf ihn richtete. Aber ihre Er kommt bereits heute Mittag! Gemütsruhe war nun für die nächste Sicher besucht er morgen mit uns den Ball, da hast du zum Glück gleich einen Zeit dahin, das sah sie gleich am ersten Partner! Nachmittag. Da kam die junge Frau Tante ging wieder und Erika öffnete Rätin Wendel zu Besuch; die war stets jetzt ihren Brief. Er war richtig von mit den kostbarsten Schmucksachen an¬ getan. Friedrich wurde ihr natürlich Amalie Denkel und sein Inhalt den „Vermischten Nachrichten“ von Zeitun¬ vorgestellt. Welch eine Pein für Erika Wenn nun — o, es konnte so leicht mög¬ gen gleichend, so vielerlei Neuigkeiten im Durcheinander schrieb sie; zuletzt lich sein, daß sich eine Gelegenheit bot und er sich von der Versuchung über¬ standen noch einige kurz gehaltene

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