46 dem Opfer, das ich bringen will und dem Tod an eurer Seite. Aber ich fühle mich stark genug, ich werde euch retten, ich allein, laßt mir das Bewußtsein, ohne das mein Leben seinen Inhalt verliert. Clemens hatte die Schwester an sich gezogen: „So sei es denn, du Stolze, Heldenmütige! Aber vergiß nicht, wenn du schwanken solltest, in der letzten Stunde noch, will ich dich in meine Arme nehmen wie ein müdes Kind, und wir wollen zur Ruhe gehen, zur Ruhe, Gabriele, und statt des Hochzeitsgeprä¬ ges soll eine Trauerfeier das letzte Fest sein, das auf Greifenstein begangen wird.“ Die Stimmen verstummten, die Ba¬ ronin, die der Schrecken festgebannt hatte, raffte sich gewaltsam auf und schlich in ihr Gemach zurück. Acht Tage später schien es fast, als wäre das alte Schloß in dem Glanze seiner Vergangenheit wieder erstanden; als wäre die mitternächtliche Szene in Gabrielens Gemächer ein böser Traum gewesen. Leuchtend, im Strahle zahl¬ loser Lichtflammen, lag Greifenstein da, die alten Mauern schienen zu wach¬ sen und zu steigen zum Sternenhimmel empor. Die Greifen vor dem Portal schienen verwundert in die Nacht zu starren und im Saale herrschte ein buntes Wogen und Treiben. Man feierte die Ver¬ lobung der jugendlichen Gräfin mit dem Herzog Leister, die Vermählung sollte in kürzester Frist erfolgen. Eine glän¬ zende Gesellschaft war versammelt. Graf Kurt, dessen hohe Gestalt alle An¬ wesenden überragte, und Graf Clemens hatten die Gäste empfangen. Gabriele stand, in schimmerndes Weiß gekleidet, neben dem Herzog. Man scharte sich um die Tafel, alles lachte, planderte, außer Frau von Steinau wußte niemand, daß eine Träne, ein Seufzer Gabrielens ge¬ nügen würden, die Lust zum Schweigen zu bringen. Aber die Komtesse lächelt, sie bringt ein Opfer und das Opfer, das sie für die Ihren bringt, ist so groß daß der Widerschein dieser Größe ihr ganzes Wesen verklärt. Die Baronin atmete auf, alles, alles wird besser, als sie gedacht hatte. Nun erst begann die Gesellschaft sie zu interessieren sic hatte nun auch Augen und Ohren für ihre Umgebung. „Reizend, wirklich reizend ist die junge Gräfin, sagte ihr Nachbar, der bisher vergebliche Versuche gemacht hatte, eine Unterhaltung anzuknüpfen, „kenne den Herzog genau, erlauchtes Haus, königliches Vermögen, glänzende Partie, nur der Altersunterschied ist etwas groß. Indessen die gereiften „ Manner sind die besten, der Herzog wird seine junge Gemahlin auf den Händen tragen, war er doch schon heute bedacht, seiner Braut eine außergewöhn¬ liche überraschung zu bereiten, er hat beinahe Unmögliches möglich gemacht wir werden Adrian van der Grachts Geige diesen Abend zu hören bekom¬ men, er befindet sich unter den Gästen, der Pfeiler dort unten raubt uns seinen Anblick. „Adrian van der Gracht?“ fragte die Baronin. „Sollten Baronin noch nichts von dem Wundermanne gehört haben? Der Geiger erregt ja Begeisterung in hohen und niederen Kreisen, die Damen ver¬ göttern ihn, das Volk webt Sagen und Märchen um seine Gestalt. Der geheim¬ nisvolle Geiger scheint ein Protens zu sein, der Gestalt und Namen wechselt. Man sagt, er sei von stolzer Abkunft, aus Holland soll er gekommen und un¬ ermeßlich reich soll er sein. „Ah, der Geiger ist ein Holländer? erwiderte die Baronin. „Ich weiß nicht, wer Adrian van der Gracht ist, niemand weiß es recht. Ich weiß nur, daß sein Spiel von packender Gewalt ist. Das Gespräch hatte Frau von Steinau seltsam erregt. Man erhob sich von der Tafel, die Gesellschaft zerstreute sich dahin und dorthin. Gabriele bat Frau von Steinau, sie ein Weilchen in ein stilles Nebengemach zu begleiten, sie wolle den Glückwünschen entfliehen. Die
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