schmerzen und der Baronin ging vieles durch den Sinn, was sie still und traurig machte. Bald trennte man sich doch um Mitternacht hatte Frau von Steinau noch keinen Schlaf gefunden Da erhob sie sich wieder, kleidete sich an und huschte auf den Gang. Was wollte sie dort? Sie wußte es nicht. Eine selt¬ same Beleuchtung herrschte, bald trat der Vollmond aus den Wolken und eine blendende Helle wogte durch die Gänge, dann war es wieder dunkel, aber aus Gabrielens Zimmer schimmerte nock Licht durch die nur angelehnte Tür Jetzt knarrte die Pforte, die nach dem Parke führte, leise in den Angeln. Die Baronin trat zurück, es war Graf Clemens, der eintrat, auf die Gemächer „ der Schwester zuging und die Tur öffnete. Die Baronin stand so nahe, daß sie beide sehen und hören konnte. Ga¬ briele, die beim matten Schein einer Lampe vor vergilbten Dokumenten saß, rief dem Bruder entgegen: „Du hast recht, Clemens, es sind alle Akten, kein einziger fehlt, es fehlt uns nur das Geld, um den Prozeß zu füh¬ ren, es ist der Fluch der Armut, der auf uns lastet und uns die Schwingen lähmt. Wie viele Nächte hast du über den Papieren verbracht und doch helfen sie uns nicht! „Jawohl, Gabriele, sie helfen uns nicht und in sechs Wochen sind ein paar Schuldscheine fällig und wenn sie nicht eingelöst werden, kommt Greifenstein unter den Hammer und die Gerichte werden kommen und uns vertreiben von dem alten Stammsitz, auf dem unser Geschlecht seit Jahrhunderten frei und stolz gelebt hat. Man wird höhnend auf die letzten Abkömmlinge der unseligen Linie unseres Hauses deuten und wie Bettler, fremd, heimatlos, werden wir hinausziehen, der Greis mit wallendem Silberhaar, du, ich, die Ahnen in der Gruft beneidend, bei denen wir keinen Platz mehr finden werden.“ „Das soll nimmer geschehen,“ stieß die Komtesse hervor, „das will ich nicht er¬ leben.“ 45 Gabriole hatte die Arme flehentlich zum Himmel erhoben, nun ließ sie diese herabsinken und blickte starren Auges, als sähe sie Gespenster, umher, dann sagte sie tonlos: „Du weißt ja, daß ich dem Herzoge meine Hand reiche, die seinige zittert schon vor Altersschwäche, aber meine wird nicht zittern. In drei, in vier Wochen bin ich bereit, laßt mir nur noch eine schmerzlich selige Zeitspanne den Namen Greifenstein und dann will ich als Gattin des Herzogs die Schul¬ den tilgen. „Als Gattin!“ wiederholte Graf Clemens mit leisem Auflachen, als hätte er von der Rede der Schwester nur diese Worte vernommen. „Als Gattin! Kind, hast du denn auch bedacht, was ein Weib dem Manne opfern muß, mit dem es vor den Altar 7 tritt Gabriele senkte das Haupt und flüsterte ersterbenden Tones: „Leib und Seele!“ „Ja, Leib und Seele, entgegnete Cle¬ mens, mit den Zähnen knirschend, „undich soll den Jammer ansehen. Aber ich will es nicht dulden, daß du geopfert wirst, ge¬ rade du, das Weib, und ich habe eine Münze gesammelt, mit der wir im 7 Notfall aller Qual entgehen können, murmelte er mit einem rätselhaften Auflachen. „Dem Vater habe ich es ge¬ sagt, er ist einverstanden, auch du mußt davon wissen, und wenn du willst, kann ich dir gleich sagen, was uns erretten und erlösen kann für immer. Gabriele sah den Bruder festen Blickes an, als wollte sie auf den Grund seiner Seele lesen, dann schritt sie auf ihn zu, schmiegte sich an ihn und flüsterte: „Sprich!“ Und Clemens murmelte: „Gift habe ich mir verschafft, der Vater weiß es und ist bereit, zu ster¬ ben. „Dank dir, Clemens,“ sagte Ga¬ briele leise, „du willst mir einen letzten Ausweg zeigen, den Banden einer Konvenienzehe zu entfliehen. Du willst mir die Wahl lassen zwischen
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