Die Moorgräfin. Von Marie v. Reichenau. Ein schwerer Seufzer, der sich von 1. Kapitel. den Lippen der Kommerzienrätin stahl - s war ein behagliches Bou¬ 8 ließ die Lesende innehalten. Frau Berg¬ Gr doir, in dem zwei Damen am 8 auer schien tief betrübt und leisen Tones Sr K Teetisch saßen. Beide hatten Sun 4 sagte sie; „Er war so stolz, dieser Graf G das vierzigste Lebensjahr be¬ 890 Leo von Greifenstein, dieser Stolz ließ reits überschritten, waren ihn auf die Hand der Bürgerlichen ver¬ aber vornehme Erscheinungen. Doch zichten, die mit ihrem Reichtum und während das hübsche, frische Gesicht der ihrer Liebe so gern seine Wege geebnet Hausfrau Energie und Tatkraft kun¬ hätte.“ dete, lag über dem feinen Antlitze der Schon am nächsten Tag erfüllte die anderen Dame ein Zug stiller Wehmut. Baronin den Wunsch der Herzogin, Baron Steinau hatte eben ihrem der mit ihrem eigenen harmonierte. Besuche, der Gemahlin des enorm Die Herzogin hatte recht gehabt, den reichen Kommerzienrates Bergauer, Empfang als problematisch hinzustel¬ von einem Briefe der Herzogin Auguste len. Man empfing die Baronin gar erzählt und las nun mit klangvoller nicht, aber man wehrte ihr auch den Altstimme: Eingang nicht. Das Schloß bot ein „Liebe Baronin Steinau! „ trauriges Bild des Zerfalles und Wieder habe ich eine Mission fur Sie. brachte einen düsteren Eindruck hervor. Wollen Sie die Güte haben, mir eine Nur ein Flügel der Burg war noch be¬ Gefälligkeit zu erweisen? Es handelt wohnbar, der andere lag in Schutt und sich um Komtesse Greifenstein, für Asche. Das morsche Tor hing lose in deren Erziehung ich Sorge tragen will. den Angeln; dunkelgrüner Efen um¬ Da auch Sie, liebe Baronin, mit der schlang einen niedergeschmetterten verstorbenen Mutter der jungen Gräfin Turm, in dessen Mauerlücken Vögel befreundet waren und freie Herrin nisteten; eine schlanke, silberglänzende ihrer Zeit sind, denke ich, in Ihnen die Birke wuchs, unbekümmert um Verfall passendste Persönlichkeit für die Reise und Verwüstung, aus den Trümmern nach Greifenstein gefunden zu haben. „. empor. Zwei eherne Greife mit zer¬ Sie werden seltsame Verhaltnisse und schmetterten Schwingen, die am Ein¬ seltsame Menschen kennen lernen. Graf gang des bewohnten Schloßflügel¬ Greifenstein lebt einsam auf einer Wache hielten, starrten mit leeren halbverfallenen Burg, der letzten, die Augen auf den Zerfall. Endlich tauch¬ ihm geblieben aus den Tagen des ten zwei lebende Wesen auf der Bild¬ Glanzes fläche auf, ein Neufundländer, der Komtesse Gabriele, die fünfzehn¬ träge auf dem Rasen lag, und ein alter jährige Tochter des Grafen, ist, wie Diener in verblichener Livree. Baronin Ihnen bekannt, mein Patenkind, ihre Steinau trat an den Alten heran; der Mutter war mir eine liebe Freundin, ihr starrte wie ein Träumender nach ich wünsche nun, der Halbwaise eine hin und flüsterte geheimnisvoll: standesgemäße Erziehung zuteil wer¬ „Vor zwanzig Jahren, da schlug der den zu lassen. Der Graf ist in Kennt¬ Blitz in den rechten Flügel des Schlos¬ nis gesetzt, Sie werden also auf der ses und da stürzte der große Riese mit Burg erwartet, ob auch gut empfangen, einem so furchtbaren Getöse zusam¬ ist eine Frage, die ich keineswegs zu men, daß die in der Ahnengruft Schla¬ beantworten vermag.“ 3
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