Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1912

18 höchsten Grad aufgeregt den Saal au und nieder geschritten war. Dessen¬ ungeachtet war auch jetzt noch ein scheues, ängstliches, gedrücktes Wesen an ihm nicht zu verkennen, und als der Reiter wieder eintrat, dem er vor¬ hin den Befehl ins Ohr geflüstert, so schien es fast, als schäme er sich vor ihm und wage das Auge nicht zu ihm aufzuschlagen. „Offne das Fenster!“ befahl er nach einiger Zeit gepreßt, und als dieses ge¬ schehen war, ergriff er die Pistolen und feuerte sie beide in die Nacht hinaus. „So!“ sagte er dann für sich, und zum Reiter gewendet fügte er hinzu: „Jetzt schließe den Laden wieder — aber genau! chließe alle Läden Hörst du?— Und dann lade die Pistolen, aber doppelt — hörst du auch? Doppelt Pulver und zwei Kugeln. — Zwei Kugeln? — Ha! Nun — — — ja ja Er hielt inne und stierte gedanken¬ los vor sich nieder. Dem Reitersmann war sein Gebieter noch nie so sonder¬ bar bewegt und so unheimlich zugleich erschienen. Dem armen Burschen ahnte Schlimmes. „Gnädigster Herr!“ begann er des¬ halb furchtsam. „Was gibt's? Sind sie da? Schon da?“ rief der Angeredete, plötzlich aus starrem Brüten aufschreckend. was „Um Gott, gnädigster Herr liegt Euch doch Schlimmes zu Sin¬ nen?“ fragte der ehrliche Gefelle wie¬ der, und ward immer irrer an dem Gebieter. „Hast du geladen? Doppelt Pulver? —Nicht? Hier Zwei Kugeln? hier doch zu! zum Teufel! So greif — Nimm das zum Pfropfen—hörst du? — Es ist vom Kanzler schön zu — lesen Entehrt Teufel! Wer spricht davon?“ brauste er plötzlich auf. „Ihr selbst, gnädigster Herr!“ ver¬ etzte der Diener kopfschüttelnd und brauchte nach des Herrn Gebot des Kanzlers Schreiben zu Pfropfen beim Laden der Pistolen. „Ich selbst? Hm! — Wie ist mir — sieh, wie doch? Ach ja — ich selbst man sich täuschen kann. Ich glaubte es hätten schon Fremde von meiner Schande gesprochen, sie wäre schon über das Meer gedrungen bis Stock¬ holm und Upsala, und die Gassen¬ buben sängen Verse auf mich und „Bester Herr! Was schwatzt Ihr doch da für närrische Possen!“ fiel der Diener ein, dem es immer unheim¬ licher wurde in der Nähe des irren Gebieters. „Wer sollte es doch wagen, Euch, Herr Oberst — „Wer es wagen sollte?“ unterbrach der Oberst plötzlich, in Wut gesetzt durch die Worte. „Wer es wagen sollte? Sie haben es gewagt, die Verräter, aber beim ewigen Gott und meinem Ritterwort, sie sollen büßen!“ Und es schien, als gieße der Gedanke an die Rache plötzlich neue Lebenskraft in die schlaffen Glieder, denn er rich¬ tete seine Gestalt stolz in die Höhe und blickte kühn den Saal entlang. „Finster, sehr finster!“ sagte er dann halblaut und in seinen gewöhn¬ lichen barschen Befehlshaberton über¬ gehend, fragte er rauh: „Die Pistolen geladen? „Doppelt Pulver, zwei Kugeln?“ —Und des Kanzlers „Nicht anders! Schreiben zu Pfropfen? „Ich tat, wie Ihr befohlen!“ „So zünde Kerzen an im Saale, viele Kerzen, alle Kerzen, die vorhan¬ den, aber rasch! Und hier! Zeig her — hieher die Decke von grüner Wolle — hier breite sie aus! Scheint's nicht Recht ein grünes Rasenpolster? schön! Und ehe der Hahn kräht, werden Rosen darauf sprießen, rote, purpurne, blutige Rosen! Ha, ha, ha! „Gnädigster Herr!“ wendete der Reiter ein und hob bittend das Auge zu dem finsteren Gebieter. „Tu', wie dir geheißen! Ohne Ver¬ zug! Hole Kerzen, viele Kerzen, alle Kerzen und zünde sie an, daß es hell

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