Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1912

12 sanfter Stimme, und blickte besorgt zu der Tochter auf. „Ich bin's, mein Vater!“ gab diese mit ergebenem Tone zurück. „Und gefaßt?“ fragte der teilneh¬ mende Vater weiter, und ergriff ihre Hand und streichelte sie in der seinen. „Gefaßt!“ entgegnete sie in möglichst freudigem Ton, aber konnte deshalb doch den Seufzer nicht wehren, der sich unwillkürlich aus dem blutenden Busen heraufrang, und wendete sich schnell ab, dem Vater die Tränen zu verbergen, die unaufhaltsam ihr aus den Augen brachen. „Arme, arme Tochter!“ klagte der Greis, und bedeckte schmerzlich das Ge¬ sicht mit der einen Hand, während die andere die der Tochter herzlich drückte. „Warum arm, mein Vater?“ nahm darauf Klara wieder das Wort und rang mit Gewalt nach Fassung und trocknete verstohlen ihre Tränen, damit der Vater wieder heiter werde, wenn er sie getröstet wähne. „Du opferst dich! „Für Axel — süßer Trost! Und gelt, Vater,“ fuhr sie, sich mit Gewalt zur Heiterkeit zwingend, in schäkerndem Tone fort, „gelt, Ihr macht heute an meinem Ehrentag auf dem Hochzeits¬ schmaus ein fröhlich Tänzchen mit der guten alten Base?“ „Du Goldkind!“ lobte die Geschmei¬ chelte, um das Mädchen herumtrippelnd und sich dann ehrbar vor Johannes verneigend, fuhr sie, verschämt lächelnd, gegen diesen fort: „So es Euch genehm und ich Euch nicht zu alt wäre, Herr 7 Schwager „Ich versprech's Euch! Väterchen tanzt mit Euch!“ sagte die leidende Braut, „und nun kommt! „Aber die Perlen, die Perlen — daß Gott!“ wandte die Base ein, „hab' ich nicht Recht, Herr Schwager, Perlen be¬ 27 deuten Tränen „Freilich, freilich!“ bestätigte dieser, erst jetzt auf den Schmuck aufmerksam werdend. „Und diese müssen aus den Haaren!" entschied die Alte, „was sollten denn die Leute sagen? Daß Gott!“ 7 „Ja, liebe Klara, die müssen „Nicht doch, laßt sie mir nur immer!“ bat die Jungfrau sanft. „Ja, laßt sie ihr nur!“ stimmte jetzt der Vater bei, der dem einzigen, ge¬ liebten Kinde nichts abschlagen konnte. Darauf führte er sie die Treppe hinab. Das bleiche Bräutchen zitterte, als es den Bräutigam mit starken Schrit¬ ten im Gemach unten auf= und nieder¬ gehen hörte. Als aber der Vater die Türe jetzt öffnete, da war es ihr, als krampfte der Tod die knöcherne Hand nach ihrem Herzen. Sie wurde noch bleicher, als sie bisher gewesen, und mußte einen Augenblick anhalten, ehe sie einzutreten und den freundlichen Gruß zu erwidern vermochte, mit dem der festlich geschmückte schwedische Oberst ihr entgegentrat. Unmöglich aber war es ihr, die Augen zu ihm aufzuschlagen. „Empfanget hier das Opferlamm!“ sagte der Vater mit zitternder Stimme, als er die Tochter dem Krieger zu¬ führte, und kehrte sich schnell um, da¬ mit Klaras Fassung nicht erschüttert werde, wenn sie die Träne sehe, die er nicht bewältigen konnte. Selbst Ralstädts dunkles Auge ward feucht, als er den Kampf gewahrte, den es beiden kostete, die mühsam er¬ rungene Fassung zu behaupten. „Liebe Klara!“ sagte er endlich, ver¬ legen, wie er ein Gespräch beginnen solle, mit den weichsten Tönen, deren er fähig war, „kannst du mich denn nimmer lieben? „Habt Geduld mit dem schwachen Mädchen!“ gab sie freundlich zurück, „was an mir ist, will ich streben, Euch ein treu gehorsames, liebendes Weib zu sein, so Gott mir helfe! Ist's Euch gefällig, Herr, so laßt uns ziehen!“ Sie deutete nach der Tür. Sonderbarer bewegt, weicher ge¬ stimmt, als jetzt dem frommen, gott¬ ergebenen Mädchen gegenüber, fühlte sich der rauhe Kriegsmann nie.

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