Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1912

10 „Nicht? — Ihr könnt nicht? — Be¬ denkt es wohl, das Wort, das Ihr ge¬ sprochen!“ warnte Ralstädt, und seine Stirne runzelte sich. „Ich kann nicht!“ schluchzte das „ K Mädchen wieder, ohne aufzublicken. Der Oberst ging mit heftigen Schrit¬ ten die Kammer entlang auf und nieder. „Verlaßt uns, ihr Herren!“ wandte er sich dann in befehlendem Ton an Klaras Umgebung, „ich habe mit dem „ Madchen allein zu sprechen!“ „Nein, nein, bleibt!“ bat diese mit den Zeichen der höchsten Angst, und klammerte sich fest an den Pfarrer und ihren Vater, der zu ihr getreten war. Da rollte der Krieger die Augen und rief mit schrecklicher Stimme: „So komme denn Axel Almanrieds Blut über dich, Mädchen! Ralstädt ist nicht der Mann, der vor Weibern auf den Knien läge und um ihre Gunst bettelte! „Ich muß Euch bitten, das Gemach zu verlassen, Herr Oberst, sonst wird Euer heftig Wesen die Jungfrau töten!“ rief in diesem Augenblicke Paulus Helle, der Arzt, indem er un¬ erschrocken und entschlossen vor den Wüterich trat. Dieser lachte überlaut. 1 „Wär's so weit mit schwedischer Macht gekommen, daß erbärmliche Pfahlbürger es wagen dürften, den Generalen und Obersten Vorschriften zu machen?“ sagte er endlich mit ver¬ ächtlichem Hohn und schleuderte den Arzt beiseite. Dann trat er rasch auf die Jungfrau zu und sagte in entschie¬ denem Ton, aber mit weniger Rau¬ heit: „Bis zum Neujahr laß ich Euch Zeit, es Euch wohl in Überlegung zu ziehen, ob Ihr mein ehelich Weib wollt werden oder nicht. Verweigert Ihr's, so zittert vor mir! Der, der mich mor¬ den wollte, der gegen Kriegsbrauch handelte, den Ihr liebt, stirbt dann, beim ewigen Gott und meinem Ritter¬ wort, durch Henkers Hand! Die Jungfrau zuckte in tödlichem Schrecken zusammen bei diesen Wor¬ ten. Erschöpft sank das müde Haupt in die Kissen. Der Oberst aber wandte sich rasch an den Stadtrichter und sagte endlich zu ihm in finsterem Ton: „Jetzt kommt, mich auf das Rat¬ haus zu geleiten. Die Väter der Stadt wird's drängen, mir die sechstausend Taler auszuzahlen, und wehe ihnen wenn ein Gulden fehlt. Euch aber, fuhr er mit leiser Stimme, und den Mund an das Ohr des zitternden Mannes legend, fort, „Euch laßt's ge¬ sagt sein und auch Eurer Tochter, daß Oberst Ralstädt keinen Sohn gezeugt! Hört Ihr? — Jetzt kommt!“ * Das leidende Mädchen saß in ihrer Kammer und schien in Nachdenken ver¬ loren. Endlich erhob sie sich, faltete fromm die Hände und betete leise und inbrünstig mit zum Himmel gerichte¬ tem Auge: „Es walt' Gott Vater, Sohn und heiliger Geist, auf daß sie stark sind in den Schwachen, und sie nicht unter¬ liegen lassen in der Stunde der Trüb¬ sal!“ Und als sie das Sprüchlein gebetet und die Träne getrocknet hatte, die ihr währenddessen die Wimper netzte, trat sie zum Spiegel und flocht um und neben den Myrthenkranz die weißen Perlen. Noch hatte sie dies nicht zu¬ stande gebracht, als die Türe sich öffnete und Frau Barbara, ihre Base, eintrat, die der Verwaisten eine zweite Mutter gewesen, seit ihr der Tod die erste geraubt. „Ei, was zauderst du doch, du faules *C Madchen!“ keifte die Alte in gutmüti¬ gem Ton und trippelte mit kleinen Schritten herbei, um mit wohlgefälli¬ gen Blicken die liebliche Jungfrau zu betrachten, „daß Gott! Wer wird so säumig sein am Hochzeitstag!“ „Ich komme ja schon, liebe Base!“ sagte Klara sanft. „Der ehrwürdige Herr Pfarrer hat den Glöckner schon zweimal hergesendet und fragen lassen, ob Ihr nicht bald

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2