Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1912

Die Tochter des Stadtrichters von Naumburg. von Eugen Simson. Historische Erzählung*) schlag? Wahrhaftig! Näher trug der Aeber die Berge von Naumburg Nachtwind das Rauschen der Wogen, Ban der Saale in der Pro¬ höher klopfte der liebenden Jungfrau 8 vinz Sachsen senkte sich der S das Herz und fester bohrte sie das Abend hernieder, und nur sehnende Auge in die silberglänzende matt noch schimmerte das Tageslicht Fläche der Saale. Da — das war ein in einzelnen Lichtstrahlen, die durch Kahn — er trug Axel zu ihr! Schon das Abendgewölke aus dem Tale her¬ unterschied sie ja genau das gelbe über drangen. Koller und die hellblaue Schärpe mit „Es wird Abend — hier ist's Nacht!“ der Silberstickerei, die sie selbst gefer¬ sagte Klara, Johann Beyers, des tigt und dem Geliebten am Tage des Stadtrichters sinnige Tochter, die auf Abschiedes verehrt, da ihr so bang dem Altan des väterlichen Lusthauses ums Herz geworden und ihre Tränen vor der Stadt seitwärts von dem Dorfe so reichlich geflossen waren. Jetzt war Grochlitz, unfern der Saale, saß, und er nahe. trübe den Blick hinaussandte in die „Axel, Axel! Lebst du? Bist du es? Ferne und unwillkürlich die Hand auf jauchzte das Mädchen, eilte von dem das Herz legte. „Lebt mein Axel? Altan hinab und breitete sehnend die Denkt er mein?“ fuhr sie leise fort. Arme nach dem Nahenden aus. Da Da stieg eine feurige Lohe am Himmel stieß der Kahn ans Ufer, ein Mann — es waren die schwedischen empor sprang ans Land, und fast hätte die Wachtfeuer, die aus dem Blachfelde Getäuschte aufgeschrien in jähem von Lützen, das der ritterliche Schwe¬ Schrecken, als nicht Axel Almanried, denkönig Gustav Adolf zehn Jahre zu¬ sich sondern der wilde Oberst Ralstädt vor mit seinem Heldenblute getränkt, vor ihr verneigte. ihren blutigen Schein gen Naumburg „Ihr habt ein scharfes Auge, Jung¬ sandten. 7 frau!“ sprach der hohe Mann, „Ihr Die Jungfrau zuckte freudig zusam¬ erkennt den Liebsten in dunkler Nacht! men. „Gott, wär's möglich,“ rief sie Und gar sehr freut es den Kriegsmann, schnell, „weilte Axel dort? — O dann wenn solche süße Stimme von Minne fliegt er her zu mir, in meine Arme, Was, Ihr tretet zu ihm spricht! — und wehrt dem Obersten Ralstädt, mich zurück?“ fuhr er fort, als er sah, daß fürder zu verfolgen mit seiner Minne!" Klara ihm auszuweichen suchte; Immer finsterer ward es, und Axel „Ihr hattet meiner geharrt, das sagt Almanried säumte noch, sein Mädchen mir Euer Ruf und Gruß von vorhin, zu umfangen, das seiner mit treu er¬ und nun ich nahe bin, flieht Ihr mich? gebenem Sinn und Herzen harrte. Wohl läßt Euch das sittige Wesen recht Doch horch! War das nicht Ruder¬ gebt mir doch Eure — s0 — schön, aber Hand und den Willkommenkuß! *) Die Tatsache, die dieser Erzählung zugrunde liegt, ist in den handschriftlich nach¬ Rasch trat er nach diesen Worten gelassenen, kurz nach dem 30jährigen Krieg auf das Mädchen zu, erfaßte ihre Hand geschriebenen Chronik vom Stifte Naumburg und wollte sie umschlingen, sie aber und Zeitz (in der Provinz Sachsen) enthalten, wehrte ihn ängstlich ab und suchte ihm die den damaligen Pastor an der Domkirche zu Naumburg a. d. Saale zum Verfasser hat. die Hand zu entwinden, ohne daß die Ein Exemplar wird auf dem Rathause zu Scheu vor dem widerwärtigen Manne Naumburg, das andere in der Stiftsbibliothek und die Scham, die ihre Wangen mit Der Verfasser. zu Zeitz aufbewahrt.

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