Winter hienieden wie jeder andere, der Schnee ebenso weiß, wie alle Jahre, die Kälte nicht ärger als in anderen Dezem¬ bern! Glaubt mir daher, ich kann ja allerdings nur sagen, was ich denke, des Weltenlaufes Ende müßte denn doch durch gewisse Dinge, etwa durch einen förm¬ lichen Aufruhr, einen Umsturz oder durch Störungen in den Bahnen der Sterne da oben vorhergesagt werden — jetzt aber zeigt alles nur an, daß die Natur sich zur Ruhe begeben habe, um neugestärkt, herrlich, wie immer, im Frühjahr zu er¬ wachen. Da ist kein Grund zur Sorge, gehe jeder seiner Beschäftigung nach wie onst — ich glaube fest daran, das Welt¬ ende ist noch ferne, sehr ferne!“ Der Pater hielt erschöpft inne im Sprechen und auch die Zuhörer waren still, als überdächten sie, was sie ver¬ nommen. Graf Ottokar war der erste, der sich dem Banne entzog, der über allen lagerte. Er reichte seinem Schlo߬ kaplan die Hand und sagte heiter: Ehrwürdiger Vater, Ihr habt mir da so recht aus der Seele gesprochen es ist ein leer Geflunker, das, mit dem Weltende und wir wollen zum Becher zurückkehren und über die Kämpfe sprechen, die uns das kommende Jahr wieder mit den Ungarn bringen wird deren Ende als Herren an der Enns wollen wir erhoffen, nicht das unserige! Und fröhlicher als vor kurzem, kehrten die Männer an die lange Tafel und die Frauen zum Spinnrad zurück. Während aber der Becher wacker kreiste, drehte Gertrud flink ihr Spinnrad, beobachtete verstohlen, welche Wirkung wohl die Worte des Schloßkaplans auf ihren Vater gemacht hätten und dachte schelmisch: „Sind Väterleins trübe Gedanken jetzt zu Ende, dann geht die Welt wahr¬ lich noch nicht unter, dann beginnt erst an Sieg¬ für mich eine neue Welt — berts Seite! II. Gertrud hatte ihren Siegbert am nächsten Tage davon verständigt, was des Abends vorher im Rittersaale der 101 Styrapurkh vorgefallen war und der wackere Schildknappe hatte neue Hoff¬ nung geschöpft, den alten Zeugwart doch noch zu seinen Gunsten umstimmen zu können. Er war verständig genug, einige Tage verstreichen zu lassen, ehe er daran ging, seine Werbung bei dem Alten zu wiederholen, allein zu seinem Leidwesen auch diesmal ohne Erfolg. Der Zeugwart war nun einmal in dem Gedanken befangen, die Welt gehe demnächst unter und wenn er auch des Schloßkaplans Aufklärungen anfangs rich¬ tig gedeutet hatte, so versank er doch nur zu bald wieder in sein Grübeln und als Siegbert, um ihn mürbe zu machen, dar¬ auf hinwies, wie der gelehrte Pater Joses doch so deutlich erklärt habe, er glaube nicht an das Weltende, sagte der Zeug¬ wart unwirsch: „Der Herr Pater mag reden, was er will, das ist seine Sache! Uebrigens spricht er eben nur so, um uns zu trösten und glaubt im stillen sicher selber nicht an das, was er sagt, und damit hollah! Siegbert, der einsah, daß da jedes Zureden vergeblich war, fügte sich seuf¬ zend darein und sehnte den Silvester¬ abend herbei, denn es war für die Welt¬ schmerzler eine ausgemachte Tatsache, daß dies der letzte Termin für das Bestehen der Welt sei Wenn sich das Jahrtausend vollendet habe, dann sei es mit der Erde und allem darauf befindlichen zu Ende, so ging die Sage und der brummige Zeugwart glaubte fest an diese Mähr: im übrigen lebte er wie immer, nur be¬ suchte er öfter als sonst die Kirche in Sierning,!) in der er sich besonders an¬ dächtig fühlte. Und so kam denn endlich der Silve¬ stertag des Jahres 1000 n. Chr. heran. Die Abergläubischesten des Gaues hat'en eine Wallfahrt nach Sierning veranstallet, dort sollte der letzte Tag des Jahres zu¬ gebracht und das Weltende in der Kirche der Ortschaft unter Andachtsübungen er¬ wartet werden; von den Steinfließen im 1) Steyr Garsten und Gleink waren damals noch nach Sierning (Siernicha) eingepfarrt, was schon im Jahre 991 urkundlich erwähnt wird.
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