Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1911

ein wackerer Kriegsmann ihres hohen Gebieters in Ehren zugetan ist, als darauf, ob auch für sie die Zeit wohl noch kommen könnte, sich einen eigenen Hausstand zu gründen. Damit hatte es allerdings bei dem Liebespaar noch seine weiten Wege, denn der alte Konrad, Gertrudens Vater, war dem Schildknappen Siegbert, der um des Alten Tochter freite, wohl nicht abgeneigt, allein der Schloßzeugwart pflegte gewöhn¬ lich zu sagen: „Mit nichts baut man keine Burgen und in der Ehe will man auch essen!“ Doch wies er den Freier, den sein Töchterlein, wie er wohl wußte, gerne sah, nicht ganz ab, denn der Siegbert war ein guter, braver Junge und wenn ihm der gnädige Graf nur wohl wollte, konnte er es schon noch zu was Rechtem bringen Allein, seit einigen Wochen war der Alte besonders brummig geworden und sprach von einer Ehe zwischen Gertrud und Siegbert nur als von einem ganz unnötigen Ding, das auch nie zur Wirk¬ lichkeit werden könne. So war es auch heute vormittags gewesen, als Siegbert frei heraus um die Hand Gertrudens bei ihm geworben hatte. Schlag dir das Zeug nur aus dem Kopf, hatte er unwirsch gesagt, „wir haben schon Dezember, in drei Wochen stehen wir alle dort oben vor dem Richter¬ tuhle des Höchsten, da sind Beten und romme Werke eher am Platz als Heirats¬ gedanken!“ Und damit war der Alte weggeeilt da ihn der Schloßvogt eben rief. Gertrud und Siegbert aber waren sehr ungehalten, daß dieses vertrackte Weltende gerade jetzt kommen müsse, wo sie sich einen Haus¬ stand gründen wollten — und gelobten ich zu warten, bis die Zeiten für sie freundlicher wurden, vielleicht überlegte ichs der Weltzerstörer denn doch und wartete mit dem Weltuntergange noch so lange, bis sie zwei ihre irdische Laufbahn gemächlich vollendet hatten: Verliebte dachten eben zu allen Zeiten so und nicht anders. 99 Als nun jetzt beim Abendschoppen!), an dem auch Gertrudens Vater, dem öfter die Ehre zuteil wurde, dazugezogen zu werden, bescheidenen Anteil nahm, wieder vom Weltende gesprochen wurde, horchte Gertrud hoch auf, denn dieses garstige Weltende war ja die einzige Ursache, daß sie gar so unglücklich war. Die Gertrud hatte sich an den Worten des gnädigen Herrn Grafen recht er¬ quickt und wünschte nur, ihr Herr Vater möge so denken, wie jener; allein dieser wandte sich jetzt an den neben ihm itzenden Schloßkaplan und fragte, mit Geberden innerlicher Aufregung und ver¬ schiedener Seelenzweifel: „Frommer Vater, Ihr seid ein weit¬ gereister, erfahrener und gelehrter Mann wenn es mir der gnädige Herr er¬ laubt, so möchte ich an Euch eine Frage richten! „Immer zu,“ nickte der Graf, „denk ich recht, so liegt unserem wackeren Zeug¬ wart das Weltende schwer in allen Glie¬ dern und der Sache wird auch seine Frage gelten, he? „Jawohl, gnädiger Herr“, gab der alte Konrad mit tiefem Seufzer zur Ant¬ wort, „für mich wäre es doch wohl recht zut, aus dem Munde eines so gelehrten Herrn, der Dinge weiß, die wir kaum ahnen können, etwas über das bevor¬ stehende Ende der Welt zu erfahren. Ich quäle mich fort mit dem Gedanken wie erfolgt es, wann und wie werden die Menschen dabei umkommen? „Ei, Ihr fragt doch wohl gar zu viel, entgegnete Pater Josef, eine ehrwürdige Greisengestalt, lächelnd und strich sachte den langen, weißen Bart, „da müßt ic ja allwissend sein, um Eure, verzeiht mir die Derbheit, recht unbescheidene Fragen beantworten zu können. „Mag sein, daß ich zuviel auf ein¬ mal wissen will,“ sagte der Zeugwart hartnäckig, aber, stellen wir die Frage anders: „Haltet Ihr es für möglich, daß 1) Mit dem Wein brauchte im Jahre 1000 u. Chr. nicht gespart zu werden, das Jahr war fürchterlich heiß gewesen im Sommer und Herbst und der Wein gut und reichlich geworden, wie sehr selten sonst. 7 7

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2