Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1911

Mitteln unternommene Versuche. Wo wären wir aber heute — so fragte aus An¬ laß des Blériot=Fluges in Wien mit Recht ein Fachschriftsteller— in Österreich auf dem Gebiete der Flugtechnik, wenn man damals Wilhelm Kreß ebenso gefördert hätte, wie Frankreich es verstanden hat, seine Aviatiker zu fördern! In Deutschland ist neben der Inter¬ nationalen Luftschiffahrt = Ausstellung, welche im Herbst 1909 in Frankfurt a. M. tattfand, als wichtigstes Ereignis auf dem Gebiete der Luftschiffahrt die Fertigstellung des ersten Passagier=Luftschiffes, des „Zeppelin VII“, zu verzeichnen. Dieses Luftschiff — welches auf den Namen Graf Karl Khuen=Hedervary, ungarischer Ministerpräsident. vollführte „Deutschland“ getauft wurde — mit Glück am 22. Juni 1910 unter Leitung des Grafen Zeppelin selbst seine erste überlandreise von Friedrichshafen nach Düsseldorf und zurück. Mit welcher Schnel¬ ligkeit der „Zeppelin VII“ die Luft durch¬ zog, beweist wohl am besten der Umstand, daß er z. B. die Strecke von Mannheim bis Düsseldorf, für welche der Schnellzug sechs Stunden braucht, in vier Stunden be¬ wältigte, wobei freilich zu berücksichtigen ist, daß dem Luftschiffe freie Fahrt offen tand, während der Schnellzug an den Weg gebunden ist, den ihm die Schienen vor¬ schreiben. Die durchschnittliche Geschwin¬ digkeit der ganzen Fahrt betrug 66 Kilo¬ 69 meter in der Stunde. Das neue Luftschiff hatte eine nutzbare Tragkraft von vier= bis fünftausend Kilogramm. Es konnte für eine zwanzigstündige Fahrt eine ganze Anzahl von Passagieren aufnehmen, für die eine elegante Kabine zwischen den beiden Ma¬ schinengondeln als wertvolle Neuheit ein gerichtet worden war. Die Kabine war mit vornehmer Zweckmäßigkeit ausgestattet; sie hatte sogar Restaurationsbetrieb, der freilich nur auf kalte Küche, Kaffee, Tee und Wein beschränkt blieb. Auch fehlte der Luft¬ schiffkellner nicht, der auf ein Höchstgewicht von sechzig Kilogramm „beeidigt“ war. Große Schiebefenster gestatteten nach allen Seiten einen ungehinderten Ausblick von Der — den weichen, bequemen Korbsesseln. Preis für eine Passagierfahrt im „Zeppelin VII“ war mit 200 Mark festgestellt worden. Auch dieses für die „Deutsche Luftschiff¬ ahrts=Aktiengesellschaft“ erbaute Luftschiff ist übrigens bereits von einem schweren Un¬ fall betroffen worden; es strandete aus An¬ laß einer von Düsseldorf aus unternommenen Journalistenfahrt am 28. Juni 1910 bei Lahne im Teutoburger Walde, wobei es schwer havariert wurde. Die Passagiere blieben unverletzt. Nicht minderes Interesse als die Er¬ scheinungen auf aeronautischem Gebiete erregte in der Berichtsperiode das Erschei¬ nen des Halleyschen Kometen. Der be¬ rühmte englische Mathematiker und Astro¬ nom Edmund Halley (geboren am 29. Ok¬ tober 1656 zu Haggerston bei London, gestorben 14. Jänner 1724) hatte im Jahre 1705 nach neuen Methoden die Bahn¬ elemente der Kometen von 1531, 1607 und 1682 berechnet und wagte, gestützt auf die Ahnlichkeit derselben untereinander und die nahezu gleiche Zwischenzeit, die Be¬ hauptung, daß diese Erscheinungen sämtlich Wiederkünfte eines und desselben Kometen eien, der gegen Anfang 1759 zurückkehren werde. Diese Voraussage bestätigte sich und der Komet wird seitdem als Halley¬ cher bezeichnet. Nach den Halleyschen und den späteren Beobachtungen und Berech¬ nungen stand das Wiedererscheinen des nach ihm benannten Kometen, welcher zu¬ letzt im Jahre 1835 gesehen worden war,

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