66 Nähe von Saßnitz auf Rügen erfolgte Sturz des am selben Tag in Stettin auf¬ gestiegenen Ballons „Pommern“ in die Ostsee, wobei drei von den vier Insassen des Ballons, der deutsche Reichstagsabgeord¬ nete Dr. Wilhelm Delbrück, der Stadtbaurat Benduhn und der Kaufmann Hein den Tod fanden, während der vierte Insasse, Bank¬ beamter Semmelhack, schwere Verletzungen davontrug; der Brand des durch denselben vollständig vernichteten österreichischen Mili¬ tärkugelballons „Hungaria“ bei Neutra in Ungarn am 29. Juni 1910; der Tod des ebenfalls am 3. April 1910 bei der Landung des Ballons „Schlesien“ bei Köslin aus der Gondel geschleuderten Prof. Dr. Abegg; der Todessturz Leon Delagranges am 4. Jänner 1910 auf dem Aerodrom von Croix d’Hins bei Bordeaux; der Todessturz Hubert Le Blons am 2. April 1910 bei San Sebastian und der Todessturz Thad¬ däus Robls in Stettin am 18. Juni 1910 um nur einiges zu nennen — sind tragi¬ sche Marksteine in der neuesten Geschichte der Eroberung der Luft. Für Österreich=Ungarn waren die bedeu¬ tendsten Ereignisse auf dem Gebiete der Luftschiffahrt die Errichtung und Vermeh¬ rung einer Kriegs=Luftschifflotte, der Auf¬ stieg der Gebrüder Renner in Wien, die spä¬ teren Flüge der lenkbaren Militärluftschiffe Parseval und Lebaudy über Wien, die Fern¬ fahrt Illners von Wiener=Neustadt nach Wien und retour, das Budapester aviatische Meeting und vor allem der Aufstieg Louis Blériots in Wien. Eine Fernfahrt des Grafen Zeppelin mit einem seiner lenkbaren Luftschiffe von Friedrichshafen nach Wien, welche den deutschen Hochmeister der Luft¬ schiffahrt am 10. Juni 1910 nach Wien bringen sollte, mußte unterbleiben, weil wie berichtet wurde — die Ausrüstung des für die Fahrt bestimmten Luftschiffes noch nicht tadellos funktionieren wollte. Als erste hatten die Gebrüder Renner — die „Rennerbuben“ —Wien Gelegenheit ge¬ boten, ein lenkbares Luftschiff in Funktion zu sehen. Sie hatten auf dem Trabrenn¬ platze wiederholte Aufstiege — den ersten am 17. Oktober 1909 — unternomme, welche die Lenkbarkeit ihres „Estaric“ eklatant bewiesen, deren zweiter aber mit der Entführung des Luftschiffes endete, das nach kurzer unfreiwilliger Exkursion mit dem einen der Rennerbuben — der zweite hatte das Luftschiff unfreiwillig am Startplatz verlassen, indem er auf das Dach des Hangars fiel, ohne sich jedoch zu beschädigen — in der Nähe von Wien glück¬ lich landete. Mag auch mancher dem freilich etwas primitiven Luftschiffe der Gebrüder Renner, welche von Beruf Artisten sind keine Bedeutung in der Geschichte der Luft¬ schiffahrt beimessen, so sind doch andere hinwieder anderer Meinung; so hat der steiermärkische Landtag aus Anlaß der im September erfolgten wiederholten Aufstiege des Renner=Ballons in Graz Ende Sep¬ tember 1909 auf Grund eines von sämt¬ lichen Parteiobmännern eingebrachten und von allen Mitgliedern des Hauses unter¬ zeichneten Antrages den — in Graz ansässi¬ gen — Brüdern Renner eine Ehrengabe gewidmet. Der diesfällige Antrag lautete: „Unter dem überwältigen Eindrucke der so hervorragend geglückten Luftfahrten der Familie Renner mit ihrem lenkbaren Luft¬ schiffe, die für unser Heimatland und dessen Hauptstadt ein hochbedeutsames geschicht¬ liches Ereignis darstellen, wird beantragt, der hohe Landtag wolle beschließen: Der Luftschifferfamilie Renner ist eine Ehren¬ gabe aus Landesmitteln im Betrag von 2000 Kronen zu bewilligen. Hatten also die Wiener bereits Gelegen¬ heit gehabt, einen lenkbaren Luftballon vor ihren Augen in Tätigkeit zu sehen, so sollte ihnen am 23. Oktober 1909 zum erstenmal das Schauspiel werden, eine Flugmaschine in den Lüften manövrieren zu sehen. Es war ein unvergeßlicher An¬ blick, als sich Blériot, der am 25. Juli 1909 — als Erster — den Armel¬ kanal mit einer Flugmaschine überquert hatte, vor dem Kaiser und zahllosen Zuschauern aus allen Ständen auf der Simmeringer Heide in die Lüfte schwang. Zuerst fuhr er mit seinem Aeroplan auf drei Rädern in schnellem Tempo 80 bis 100 Meter lang auf ebenem Boden, dann verließ der Wagen auf Rädern die Erde und stieg sanft und spielend himmel¬
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