Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1911

54 und gesehen haben und ein Lied war durch die Nacht erklungen, leise, ganz leise: „Ach, wenn du wärst mein eigen, aber Marta erkannte Fritzens Stimme Am nächsten Morgen erfuhr Horst die Ereignisse der Nacht durch Marta, die ihn schon auf den Armen getragen hatte. Er war überrascht und sann lange nach. Aber konnte nicht alles Neid und Verleumdung sein? War es nicht sogar wahrscheinlich? Fritz, der tüchtige, unermüdliche Landwirt, war manchem Lässigen ein Dorn im Auge und auch Nore hatte sich durch ihren Hochmut die Leute zu Feinden gemacht Seine Frau war eigenwillig, leicht¬ sinnig, aber zum Verdacht einer wirk¬ lichen Untreue hatte sie niemals Ver¬ anlassung gegeben. Fritz blieb also im Hause, doch beschloß Horst, ein scharfes Auge zu haben und ihn nebst Nore sorgfältig zu überwachen: Die Folge war, daß Nore und Fritz wohl sehr be¬ hutsam waren, daß aber die Klagen der alten Marta immer dringlicher, Horsts Mienen immer düsterer, seine Launen immer quälender wurden. Wieder war es Spätherbst! Nore lebte nun zwei Jahre auf Bornstedt. Da wurde eine große Jagd veranstal¬ tet, von der Horst tot heimgebracht wurde. Wie das Unglück geschehen, ist nie aufgeklärt worden, es hieß, sein Gewehr habe sich entladen und die Kugel sei ihm ins Herz gedrungen. Fritz soll nicht in der Nähe gewesen sein Horst wurde mit großem Pomp in der Familiengruft beigesetzt. Kaum aber war das Trauerjahr vorüber, fand die Hochzeit von Nora und Fritz statt. Fritz war nun Gutsherr und Nora dünkte er der Rechte. Jetzt begann ein anderes Leben im Herrenhaus, als wie es unter dem ernsten Horst geführt worden war. Muntere Freunde zogen aus allen Weltgegenden herbei. Gelage und Feste gab's auf Bornstedt, nicht wie ehedem, drei=, viermal des Jahres, nein, Geburts= und Namenstage, Weihnachten, Silvester, Fastnacht, kurz alles gab Gelegenheit zu Gastereien. Der Ruf von der Freigebigkeit des neuen Herrn verbreitete sich bald weit im Land, und wenn eine Truppe Gaukler oder Musikanten durch die Stadt zog, da vergaß sie sicher nicht, auf dem Gute vorzusprechen; Fritz hieß alle willkommen, bewirtete und beher¬ bergte sie Und erst das Erntefest! Zu Horsts Zeiten ward es immer nach Sitte und Brauch, doch ohne Prunk und Aufwand gefeiert. Aber Fritz änderte alles. Drei Tage und drei Nächte wurde gezecht, getanzt und geschwärmt. Alle Honora¬ tionen der Stadt, alle guten Freunde von weit und breit wurden eingeladen. Da wurde geschlachtet, gebraten und der Wein floß in Strömen. Eine Köchin hatte Fritz aus der Hauptstadt kommen lassen, die alte Marta war längst verabschiedet. Am letzten Abend wurde im Festsaal des „Goldenen Stern, das ist der vornehmste Gasthof der Stadt, ein großer Ball gegeben. Solch ein Leben gefiel Nore gut, so hatte sie sich's immer gewünscht und so war's auch gekommen. Sprach manch¬ mal eine Freundin aus alter Zeit mit ihr über das glänzende Leben, sagte sie stets: „Fritz kann es ja tun, wir sind reich genug!“ Auch das Herrenhaus war umgebaut worden und die alten schönen Einrichtungsstücke, an die der Verstorbene, als von seinen Vorfahren übernommenes Gut, nie zu rühren ge¬ wagt, wurden entfernt und neue Möbel angeschafft. Weit entfernt, sich um den herrlichen Besitz zu kümmern, hielt Fritz Verwal¬ ter und Sekretär. Er selber verbrachte seine Tage, wenn es nicht gerade da¬ heim ein Fest gab, in der Stadt, im „goldenen Stern: Da dauerte es gar nicht lange, daß er den Ruf eines gro¬ ßen Spielers und Trinkers gewann Nora wurde es wohl manchmal eigen zu Mute, wenn sie die Summen be¬ dachte, die Fritz vergeudete und sie sich an Horstens Sparsamkeit erinnerte, aber immer tröstete sie sich mit der Überzeugung, daß sie ja reich seien.

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