Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1911

51 walt zurück. Der Korb wurde geöffnet. als sich dem Gepäckträger eine Hand „Bitte“, sagte Wurm freundlich zu auf die Schulter legte. dem Manne, der zusammengeknickt da¬ Es war Wurm. „Öffnen Sie den rinnen saß. „Wollen Sie sich nicht aus Korb!“ sagte er ruhig. „Er bleibt hier!“ dieser unbequemen Zelle befreien, Die Dame tat einen Schrei. „Was Herr von „Woidianu“! Wir haben für soll das heißen?“ rief sie und warf sich Sie und Ihre Frau Gemahlin weit be¬ über den Korb. „Welch neue Gewalt¬ quemere! Diesmal sind Sie ja doch tat! Das gebe ich unter keinen Um¬ umsonst „gestorben!! Der Schaden¬ ständen zu! ersatzschwindel, auf den ihr beiden Hoch¬ Einige Herren, die mit Wurm ge¬ stapler es mit der ganzen Sturz¬ — Kriminal= und kommen waren geschichte ausschließlich abgesehen hat darunter Offizial Eisenbahnbeamte, tet, ist nun endlich aufgedeckt! zogen sie mit sanfter Ge¬ — Lorenz D Der Rechte. Von Marie v. Reichenau. Eines Sonntags, da es als besondere 8 n dem Häuschen, das am Leckerbissen Sauerkraut und Brat¬ Ende unserer nicht unbedeu¬ 220 wurst zu den obligaten Kartoffeln gab, tenden Stadt steht, lebt eine S siehe, da trat Herr von Bornstedt, dem tille, blasse Frau, deren eines der großen Güter, welche in Haupt schon im Silberschimmer glänzt, nächster Nähe der Stadt liegen, ge¬ einsam und armselig dahin. hörte, ins Zimmer. In ihrer Jugend war sie das schönste Frau Bergheim wußte, ehe noch Mädchen der Stadt. Ihre Mutter, Bornstedt gesprochen hatte, daß er der Frau Hauptmann Bergheim, die ihren Rechte sei. Gleich rückte sie einen alten, Mann als Pensionisten geheiratet mit grünem Samt überzogenen Lehn¬ hatte, war nach dem Tode des Haupt¬ stuhl, der noch aus ihren besseren Zei¬ mannes mit ihrer schönen Tochter in ten herstammte, an den Tisch und for¬ ihre Vaterstadt zurückgekehrt. derte Herrn Bornstedt auf, Platz zu nehmen Hier fristeten die beiden Frauen, Sie bedauerte, ihn nicht zu Tisch laden die fast ganz vermögenslos waren zu können, aber ein Glas Wein oder einen durch Anfertigung von Stickereien und Kaffee werde er sicher nicht verschmähen. anderen Handarbeiten, mühselig ihr Bornstedt aber lehnte dankend ab Leben. Aber trotzdem Kummer und und begann, erst mühsam nach Worten Sorge täglich Gäste im Hause waren, suchend, dann aber in ruhiger, fließen¬ blühte Nore wie eine Rose. der Rede zu sprechen. Er erzählte, daß Es fanden sich auch Freier genug für er eine traurige Kindheit gehabt, da er sie, doch Frau Bergheim meinte, keiner seine Mutter früh verloren; erwachsen von ihnen sei für ihre schöne Tochter habe er große Reisen gemacht, dann gut genug und das Töchterlein war sei sein Vater gestorben und er habe derselben Meinung. Sie darbten lie¬ das Gut übernommen. Sein Reichtum ber aßen Kartoffeln mit Salz und sei in diesen Jahren gewachsen, und er Schwarzbrot zu ihrem Tee und Kaffee sei nun gesonnen, seinem großen, aber und arbeiteten bis in die späte Nacht, einsamen Haus eine Herrin zu geben, um auf den Rechten warten zu können; als diese habe er Fräulein Nore er¬ denn der werde gewiß kommen, man koren und nun sei er gekommen, um dürfe nur die Geduld nicht verlieren. deren Hand zu bitten. Und er kam auch. 4*

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