42 ten und Behörden gegenüber nach wie vor die in Schmerz aufgelöste Trau¬ ernde spielte und durch ihren Anwalt immer mehr auf Auszahlung der Ent¬ schädigungssumme drängen ließ, da sie es in diesem Lande nicht länger aus¬ halten könne, in dem ihr so Schreck¬ liches geschehen — all dieses zusammen erweckte den Verdacht, daß es sich bei dem Unglück, durch welches das Augen¬ merk zuerst auf Frau von Woidianu gelenkt worden war, vielleicht über¬ haupt nicht um einen bloßen Zufall sondern um ein schändliches Verbre¬ chen handelte, das begangen worden war, um einen lästigen Gatten zu be¬ seitigen. Dazu kam, daß mit den Papieren der Dame nicht alles so in Ordnung war, wie man anfänglich gutgläubig angenommen hatte. Man war mit dem rumänischen Konsulat in Verbindung getreten und hatte durch dasselbe er¬ mittelt, daß eine Familie des Namens, wie ihn die Dokumente der Auslände¬ rin trugen, dort, wo sie beheimatet ein wollte, überhaupt nicht existierte. Sie bestritt zwar die Richtigkeit dieser Erhebungen entrüstet auf das entschie¬ denste. Aber man gewann gleichwohl die Überzeugung, daß es sich bei den Urkunden um äußerst geschickte und kecke Fälschungen handelte. Wurm, der den ersten Anstoß ge¬ geben hatte, daß die Sache diese über¬ raschende und unerwartete Wendung nahm, schwieg sich allen Bekannten gegenüber vollkommen aus; ja es schien, als ob vielleicht noch nicht ein¬ mal alles publik wäre, was er plante. Jedenfalls schüttelten viele zu der Sache den Kopf und meinten ihm gegenüber unverhohlen, eine so schwere Anklage dürfte so leicht gestützt denn doch nicht erhoben werden. Angenom¬ men selbst, es sei zurzeit mit den Pa¬ vieren der jungen Frau noch nicht alles in Ordnung, so berechtige das doch noch keineswegs zur Annahme, daß sie eine Mörderin, die Mitschuldige eines Mörders sei. Man stand eben zu sehr unter dem Banne der liebreizenden, unschuld¬ vollen Erscheinung der Fremden, und besonders Lorenz war es, der seinem Freunde kein Hehl aus seinem Groll machte und ihm offen gestand, es sei das erstemal seit ihrer vieljährigen Bekanntschaft, wo er ihn überhaupt nicht mehr begreife und an seinem guten Herzen und seiner Objektivität zu zweifeln beginne. Der Kommissär hörte alle diese Vor¬ würfe ruhig an; ja er lächelte sogar zuweilen und erboste dadurch den Offi¬ zial nur noch mehr. Frau von Woidianu war durch die Verhaftung sehr überrascht worden und momentan fassungslos. Sie ge¬ wann aber bald ihre Ruhe wieder und setzte allen Versuchen der Polizei, etwas aus ihr herauszubringen, eine vor¬ nehm abweisende Kälte entgegen. Das einzige, was sie erklärte, war, daß sie einsehe, eine Ausländerin, eine schutz¬ lose Frau müsse sich eben alles gefallen lassen. Ihre hochstehenden Verwandten würden aber für alle diese Übergriffe strenge Ahndung fordern. Ein anderes Bild gewann ihr Auf¬ treten freilich, als sie am nächsten Tage richterlich verhört und nun mit dem Gegenstand der Anschuldigung bekannt gemacht wurde. Man hatte dieses bei der Polizeibehörde nicht schon getan, um ihr nicht die Möglichkeit zu geben, Ausflüchte zu ersinnen, bis sie vor den Richter trete. Die Anklage des Mordes warf sie vollständig nieder. Man hätte sie wirklich ohneweiters für eine Schuldige halten können, so sehr geriet sie außer Fassung, als sie hörte, weshalb man sie verhaftet hatte. Das feine Spitzentuch, welches sie bis dahin hin und wieder an die Augen geführt, entsank ihren kraftlos gewor¬ denen Händen. Sie begann zu zittern, daß sie sich an dem Stuhle halten mußte, den man ihr angeboten hatte, und mit blassen Lippen und weit ge¬ öffneten Augen starrte sie den Richter
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