kleinen Schlange will ich hinter ihre Schliche kommen! Sie hat einen Ver¬ ehrer! „Sie mag tausend haben!“ entgeg¬ nete der Offizial. „Kein Wunder bei ihrer Schönheit!“ „Du auch, Brutus?“ schmunzelte der Kommissär und fuhr dann eifriger fort: „Sie hat einen Verehrer! Einen Verehrer, den sie nicht erst seit gestern ganzen kennt — das sah man an ihrer Vertraulichkeit, an dem Ton, in dem sie mit ihm sprach, an den Gebärden, an allem! Diesen Verehrer hat sie schon länger wie die vier Wochen, seitdem —7 ihr Mann tot ist — so behaupte ich „Natürlich!“ sagte Lorenz zornig. „Behaupten Sie nur tapfer darau los, wenn Sie doch schon einmal drin¬ nen sind! Dieser Verehrer hat wahr¬ cheinlich ihren Mann ermordet, in den Fluß gestürzt, was? Und war bei allem unsichtbar und hat die ganzen vier Wochen in der vierten Dimension ge¬ lebt, bis es dem berühmten und scharf¬ Nikodemus sichtigen Kommissarius Wurm gelungen ist, zu seinen übrigen Ruhmestaten auch noch die Entdeckung dieses Schwerverbrechers zu häufen!“ „Ja, ja, ja!“ meinte sein Freund. „Das ist nicht so ohne, was Sie da sagen! Warum verstellt sie sich denn? Warum heuchelt sie denn eine Trauer die sie nicht hat? Warum drängt sie denn durch ihren Anwalt so sehr auf baldige Ausbezahlung der Entschädi¬ gungssumme, wie ich gestern im Ober¬ bahnamt erfuhr? Warum trifft sie — son¬ diesen jungen Mann nicht hier dern da drüben — na, jedenfalls werde ich morgen beim Oberbahnamt Mittei¬ lung von meiner Beobachtung machen, man wird gut tun, mit der Erledigung der Sache etwas zurückzuhalten oielleicht findet sich noch mehr!" „Sie sind mir der Richtige!“ ant¬ wortete der Offizial. „Ein Menschen¬ freund?! Pah, ein Mörder sind Sie, der sich heimtückisch den unschuldigsten Blüten naht und sie vernichtet, ver¬ stehen Sie mich! Ein Wunder, daß ein 41 fühlender Mensch wie ich es so lange in Ihrer Gesellschaft aushält! — Trin¬ ken Sie noch eins? Der Kommissär nickte, und sie kamen auf ein anderes Gespräch. III. Ein paar Tage später wurde die Re¬ sidenz in Aufregung versetzt durch die Nachricht, Frau v. Woidianu sei unter dem Verdachte verhaftet worden, ihren Mann ermordet zu haben. Man er¬ zählte sich sofort die kühnsten Märchen. Es wurde behauptet, Zeugen seien ge¬ funden worden, welche gesehen hätten, wie sie selbst ihrem Gemahl den Stoß gegeben, der ihn in die Fluten des Stromes gestürzt habe. Andere wieder erklärten, sie habe Helfershelfer dabei gehabt, man habe gleichzeitig mit ihr einen Genossen ihrer Tat, ihren Ge¬ liebten festgenommen. Das letztere war nun keineswegs richtig, wenn auch die Polizei zu der Sistierung der jungen Ausländerin durch die Entdeckung bestimmt worden war, daß die Witwe mit einem Unbe¬ kannten in der Nachbarstadt Zusam¬ menkünfte hatte, wobei es sich offen¬ bar nicht um bloße Liebesabenteuer, sondern um große und wichtige Ge¬ heimnisse handelte. Man hatte durch Befragen ihrer Kammerzofe und durch Beobachtungen der Verdächtigten selbst herausgebracht, daß sie alle zwei oder drei Tage tunlichst unauffällig in die Nachbarstadt fuhr, und daß sie dort in einer stillen Straße der Vorstadt mit jenem Fremden zusammentraf, den Kommissär Wurm zum erstenmal in ihrer Begleitung gesehen hatte. Sie schlossen sich dann bei seiner Vermiete¬ rin, einer Kaufmannswitwe, wo er sich unter dem Namen Erhard Miller ein¬ gemietet hatte, für mehrere Stunden in sein Zimmer, und man konnte sie dort, wenn man sich leise näher schlich und lauschte, eifrig in einer fremden Sprache verhandeln hören. Diese Wahrnehmungen zusammen mit dem seltsamen Gebaren der jungen Witwe in der Residenz, wo sie Bekann¬
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