erwählte seines Herzens gepflückt. Seit Wochen warb er nun schon in seiner stillen Weise um Martha, sie wich ihm aber aus, wo sie konnte. Sie vermied besonders ein Alleinsein mit ihm, und so sehr sich Tante Brigitte auch mühte, gerade das herbeizuführen, so wußte es Martha doch stets geschickt zu ver¬ eiteln. Bald saßen die vier in trau¬ lichem Gespräch beisammen. Der För¬ ster und der Pfarrer hatten so manches zu besprechen. Sie berührten ein und das andere Thema. Tante Brigitte hörte aufmerksam zu, während Mar¬ thas Gedanken ganz wo anders weil¬ ten. „Wissen Sie auch schon, daß der Graf wieder fort ist in die Residenz? sagte der Pfarrer plötzlich, dem Ge¬ spräch eine andere Wendung gebend. „Ich hörte im Dorfe davon, gab der Förster zur Antwort. „Ich glaubte, er würde nun hierbleiben, um das Gut selbst zu übernehmen. „Das soll auch bald geschehen, denn er wird bald wiederkommen, aber nicht allein, so deutete mir die Frau Gräfin bei meiner letzten Anwesenheit im Schlosse an. Es heißt, er wird sich in kurzer Zeit mit einer reichen Erbin aus der Residenz verloben. Er braucht Geld, denn er soll flott gewirtschaftet und bedeutende Schulden haben. Niemand hatte auf Martha geachtet die bei Nennung des Grafen aufge¬ standen und sich am Fenster mit ihren Blumen beschäftigt hatte, um die Röte zu verbergen, die ihr Gesicht bedeckte. Ein Zittern ging durch ihre Gestalt, als sie die letzten Worte des Pfarrers vernahm, es war, als ob ihr eine eisige Hand nach dem Herzen griff, um un¬ barmherzig alles zu zerstören, was da so schön und lieblich aufgeblüht. Sie hätte laut aufschreien mögen vor bitte¬ rem Herzensweh und war froh, als der Vater mit dem Pfarrer wegging und sie hinaus in den kühlen Wald konnte Da saß sie lange auf der Bank unter dem grünen Nußbaume. Hier hatte sie ihntäglich in den frühen Morgen¬ 31 hier stunden gesehen und gesprochen, hatte er ihr gesagt, wie oft gesagt, daß er sie liebe, daß er nicht ruhen würde, bis sie sein eigen sei vor Gott und den Menschen, und nun war es, als ob ein Sturmwind über die zarten, jungen Blüten ihrer Liebe gegangen und alles erbarmungslos vernichtet hatte. Septemberstürme rasten um das alte Försterhaus, drinnen kämpfte ein junges Leben mit schwerer Krankheit. Den fortdauernden Seelenqualen war Martha nicht gewachsen, ein hitziges Nervenfieber warf sie aufs Kranken¬ lager. Das Fenster des Krankenzim¬ mers war geöffnet, Martha, die still und bleich in ihrem Bette lag, durch den Bettschirm vor Zug geschützt. Eine Nachtlampe brannte abseits, so daß ihr bleicher Schein die Kranke nicht stören konnte. Mit sorgenvollem Gesichte saß der Förster in dem Lehnstuhl neben dem Bette seines Lieblings; Frau Bri¬ gitte waltete ihres schweren Amtes der Krankenpflege. Eben war der junge Pfarrer mit dem behandelnden Arzt dagewesen. Letzterer meinte, die Krise — das Ende nahe, die Besserung oder bringe; er war ein Freund des jun¬ gen Pfarrers, wohnte bei dem letzteren und wollte seinen Besuch in später Abendstunde noch wiederholen. Frau Brigitte sah leichenblaß aus tiefe Schatten unter den Augen und ein krampfhaftes Zittern, das dann und wann durch ihren Körper ging, zeigten die Qualen, die sie innerlich litt, denn außer der Angst um das teure junge Leben, waren es noch die Vorwürfe, die Selbstvorwürfe, die sie peinigten, die Augen nicht offen genug gehabt zu haben, denn das ganze un¬ selige Geheimnis ihrer Liebe hatte Martha in ihren Fieberphantasien aus¬ geplaudert. So kämpfte ein junges Leben, durch fremde Schuld, durch fremden Leicht¬ sinn in namenloses Leid getrieben. Und derjenige, der dieses Leid in ein glückliche Familie gebracht, feierte zur selben Stunde im hellerleuchteten
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