Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1911

21 Die Dision des Königs. englischen Chronik. Frei nach einer alter am Hof über die Trauer und die Trä¬ Am 4. Jänner anno 1726 nen des Königs. Was mußte vorge¬ herrschte im Schlosse Wind¬ D fallen sein? Sophie hatte dem Tod sor große Aufregung. Köni¬ S ohne Furcht entgegengesehen. Die gin Sophie, die zweite Ge¬ Krone war ihr eine Bürde, das Leben mahlin Georg I., lag im Sterben. eine Last. Sie fand sich von ihrem Ge¬ Georg I. saß seit dem Jahre 1714 aus mahl vernachlässigt, Lady Horatia dem englischen Throne. Seine Mutter hatte den König durch ihre Koketterie war die jüngste Tochter der schönen und ihre Reize lange Zeit gefesselt: Elisabeth, deren Vater Jakob I. von Sophie mußte dem ruhig zusehen. Schottland war und die als Gemahlin Wohl war sie geduldig und ergeben des Winterkönigs auf dem Prager dennoch hatte sie unsagbar gelitten Schlosse residiert hatte. Als nun die ihr einziger Hort war die Religion ge¬ Königin Anna von England ohne wesen. Ein Gedanke beseelte sie nock Erben gestorben war, wurde der Ur¬ vor dem Tode; sie wollte den König enkel Jakob I., der Kurfürst von Han¬ veranlassen, die Bande, die ihn an die nover, zum Herrscher des Inselreiches Lady fesselten, zu lösen. Als Georg an ausgerufen, da die katholischen Stuarts ihrem Lager erschien, reichte sie ihm vom Thron Englands ausgeschlossen die Hand und mit schwacher Stimme waren. Georg war in erster Ehe mit sprach sie: „Ich würde wohl noch nicht der Tochter des letzten Herzogs von sterben, wenn ich weniger unglücklich Celle vermählt, doch verdächtigte er gewesen wäre.“ Der König beugte sick seine junge Gemahlin der Untreue und auf ihre Finger, küßte sie und Tränen ließ die Arme auf Schloß Ahlden ge¬ fielen darauf. Er wollte sprechen, aber fangen halten. Die Ehe ward getrennt die Königin fuhr fort: „Alles ist jetzt und Georg heiratete seine Base Sophie vergessen, alles verziehen, Gott ruft von Braunschweig. Dies hinderte ihn mich, er kennt mein Herz, das Ihnen aber nicht, ein flottes Leben zu führen einst gehörte. Ich werde Ihnen keine und mehrere der jetzigen vornehmen Vorwürfe machen, aber eine Bitte will Familien Englands verdanken ihren ich aussprechen.“ Sie richtete sich ein Ursprung den Liebesverhältnissen des wenig auf, drückte mit der letzten Kraft galanten Königs. die Hand des Königs und flüsterte: Als Königin Sophie ihr Ende nahen „Im Namen Gottes beschwöre ich Sie, fühlte, hatte sie den König zu sich be¬ George, beginnen Sie ein neues Leben, schieden und alle anderen mußten sich verlassen Sie den Pfad der Sünde, entfernen. Das Ehepaar war über eine den Sie gewandelt sind hören Sie Stünde allein geblieben und die Höf¬ mein Flehen. Wenn ich noch weiter linge hatten bemerkt, daß Georg beim leben würde, könnten Sie glauben, ich Verlassen des Gemaches geweint habe. richte diese Bitte an Sie, um Ihre Das Verhältnis zwischen ihm und Liebe zu gewinnen, die ich wohl nie Sophie war nie ein inniges gewesen; besessen habe; morgen aber werde ich sie hatten nur den Thron geteilt, seine im Sarge ruhen. Also, hören Sie mich Freuden hatte der König bei seinen noch, mein teurer Freund, ich flehe Sie Favoritinnen gesucht. Die Königin an, auf den Verkehr mit Lady Horatia war fromm, sie verabscheute den Le¬ zu verzichten. „Ich verspreche dies, benswandel ihres Gemahls, weniger tammelte der König, „aber reden Sie aus Eifersucht, als aus tiefsittlicher nicht mehr, es könnte Ihnen Schaden Entrüstung. Daher wunderte man sich

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