Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1911

12 diesen stolzen Gedanken ausdenkend sie in ratloser Herzensangst. „No, sagte er plötzlich, „wie steht's denn — sind die zwei so weit, daß ich meinen Samthut ausbürsten und zum Höhbauernhof n'aufsteigen kann, um in aller Form ums Dirndl anzuhal¬ ten? „Ja,“ log die Bäuerin in ihrer Not die zwei! „so weit sind Ihr Mann sprang vergnügt auf. „Schau, Alte!“ rief er, „jetzt scheint die g’rad' aus dei'm Sonn' erst recht runzligen Gesicht 'raus leucht't s’ mich an! Ja, ja, gucknur net so bärbeißig drein! Hast mir die dreißig Jahr’, die wir verheirat't sind, schon manche gute Botschaft bracht aber das war die Herzenswunsch ist er¬ beste jetzt! Mein füllt— jetzt hab’ i kein' mehr! Wie ihr jedes seiner Worte in die Seele hineinschritt! „Weißt,“ stammelte sie, „so weit sind s’ schon, die zwei aber die Höh¬ bauern=Leni is net dabei!" 27 „Was:, rief er entsetzt, „die Leni — is net dabei was soll das heißen — red' —wer denn? Herunter mit dem Stein jetzt! dachte sie. Mag's werden, wie's will — ich halt's aus um den Buben! „Die Vroni“ sagte sie ruhig und entschlossen und sah ihn mit freund¬ lichem Ernst ins Gesicht. Er starrte sie einen Augenblick wort¬ los an —dann warf er seinen Hut wütend zur Erde und brach in ein gel¬ lendes Gelächter aus. „Die Vroni!“ rief er, „die arme Häuslerdirne! Die Notgretl, die! Da schau mir mal einer an. Beim hellsten Sonnenschein geht der Teufel um und verruckt die Köpf'! Martl! Er trat rasch auf die andere Seite des Baumes und rief den Namen sei¬ nes Sohnes mit weitschallendem Zorn gegen den Hof hin. Sein Weib eilte ihm nach. Jetzt durften sie nicht zusam¬ mentreffen die beiden mit ihren harten Köpfen —da gäb's ein Un¬ glück, das nimmer gutzumachen wäre. „Aber, Bauer — um Gottes willen so laß doch reden mit dir — sei doch net so jach!“ bat sie. Er schüttelte ihre Hand von seinem Arm und lief gegen das Haus zu. „Wo ist der Martl?“ —keiner hatte ihn Keiner wußte es noch gesehen. Das erhöhte nur seinen Zorn. „Seit wann is 's Brauch auf'm Meierhof, daß der Sohn fortlauft in aller Früh, ohne seinen Eltern guten Morgen zu sagen, und die Arbeit auf¬ zunehmen, die man ihm verschafft! Was sind dös für neue Hallodrisitten?“ „Er is mitten in der Nacht fort! sagte der Oberknecht kleinlaut. schrie der Bauer verblüfft „Was?“ und wütend zugleich. „Mitten in der Nacht auf und davon. Und dös sagst du mir erst jetzt? Davon erfahre ich nir Was steckt da dahinter und wer is im Spiel mit ihm? Er sah argwöhnisch nach der Bäuerin die blaß, in heller Herzensangst da¬ stand. Von dem allen wußte sie ja selber nichts. Was war aus ihrem Sohn ge¬ worden? Der Freithof=Klaus, der schon einige Minuten, von denen drinnen unbe¬ achtet, am Hofzaun lehnte, mischte sich jetzt ins Gespräch „Ich hab'n g'seh'n die Nacht — den Martl!“ sagte er trocken. „Du?“ rief der Bauer und sah ihn verächtlich an. „Da war er schon in einer sauberen G’sellschaft, wenn er in der deinigen war! Klaus schüttelte den Kopf. „Bei mir war er net!“ fuhr er fort. „Ins G’wänd' is er nauf. stammelte die „Ins G’wänd'?“ Bäuerin erschrocken. „Wird wohl wildern gangen sein!" sagte Klaus achselzuckend. „Mein Bub wildert net“ schnitt ihm der Bauer das Wort ab und reckte sich stolz auf. „Sicher hat er nach dem Holz¬ schlag g'schaut.“ „Aber es wachst doch gar kein Holz da oben“ stöhnte sein Weib.

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