Noch ein kurzes, heftiges Geräusch dann ward es still. Aber nur für ein paar Sekunden. Dann schlich etwas gegen die Wand her und kletterte mit katzenartiger Geschwindigkeit empor. Martl war im Absteigen gerade auf einem Felsvorsprung angelangt, der just Platz genug bot, daß ihrer zwei auf ihm stehen konnten. Da traf hier der andere mit ihm zusammen, der heraufgeklommen war, um zu sehen, wer ihn hier belauscht hatte, und ob der ihn verraten konnte und wollte. Einige scharfe Worte flogen hin und zurück— dann ein Fassen, ein Heben ein Sturz — ein Schrei Wieder war es totenstill an der Bergwand. Nur von oben her ging's wie lachendes Höhnen des Bergunholds durch die Nebel. 5. Kapitel. Ein herrlicher Herbstsonnentag folgte auf die geschilderte Nacht. Früher als gewöhnlich trieb der leuchtende Flam¬ menstrahl von oben die Nebel aus dem Tal an den Hängen empor— ein munterer Septemberwind fuhr darein und zerzauste sie und ihre flatternden Züge flohen allerorten an die Gipfel auf, wo sie langsam im funkelnden Morgengolde zerrannen. Die Bäuerin vom Meierhof, Martls Mutter, war eine rüstige Frau mit ebenmäßigen, klugen und freundlichen Mienen, ging im ganzen Hof umher, ihren Mann zu suchen. Sie hatte ein ernstes Wort mit ihm zu sprechen, Martls wegen. Ihr Sohn war von Jugend an ge¬ wöhnt, in seiner Mutter die Vertraute aller seiner Wünsche und Gedanken zu sehen. So hatte er auch gestern Abend gleich nach seiner Heimkunft sie in der Weinblattlaube aufgesucht und ihr den Umschwung der Dinge — seinen Bruch mit der Höhbauerntochter, sein Ver¬ sprechen mit der armen Vroni — ein¬ gestanden. Daß er seiner Mutter damit eine chlaflose Nacht bereitete, wußteer wohl freilich nicht. Die Gute kannte den har¬ 11 ten Bauernkopf ihres Mannes nur zu — seinen Stolz auf Haben und gut Erwerben — sein Zusammenhalten mit den anderen Vermöglichen und sein hoffärtiges Erwarten, daß der einzige Sohn auf solchen Grundsätzen weiter □ bauen und fort erwerben würde. Ihr elber war ja der Gedanke, die Höh¬ bauern=Leni zur Schwiegertochter zu bekommen, nie ein herzerwärmender gewesen. Das eitle, gefallsüchtige Dirndl war ihr nicht gut genug für ihren Sohn, während sie oft schon früher, — — sich im wenn sie so still beobachtete tiefsten Herzen drinnen gesagt hatte: Die Vroni — das wär' eine, die ihm einmal die Mutter ersetzen, die ihn so ganz selbstlos und echt lieben könnte, wie er's verdiente. Aber wie das dem Alten beibringen! Sie seufzte tief auf. Das war ein Stück ——davon ureigenster Mutterarbeit nahm ihr keiner was ab. Aber jetzt gleich sollte es geschehen! Bei dem Suchen nach dem Manne geriet sie auch hinter den Hof, wo aus dem Blumengärtlein hinaus ein Feld¬ weg auf die Anhöhe führte. Richtig, dort oben unter dem Lindenbaum saß der Bauer und sah in stolzer Besitzes¬ freude in das sonnendurchleuchtete Land hinunter, das weit hinaus ihm gehörte. Die Bäuerin brach im Vorübergehen ein Rosenknösplein vom Stock und schritt langsam den Hügel hinan. Je näher sie ihm kam, desto schwerer wurde ihr das Herz. Da spricht man nur von Mannesmut. Als ob Mütter nicht oft noch stärkeren Mut haben müßten. Jetzt stand sie neben ihm und legte ihm das Blümlein auf die schwieligen, in¬ einander verschlungenen Finger. Er nahm's und nickte ihr freundlich zu. „Schau!“ sagte er und winkte in das Tal hinunter. „Alles unser! Und wenn der Martl die Höhbauern=Leni nimmt, kriegt er's noch dort links 'naus dazu der Bub wird der reichste Bauer im Tal! Sie schwiegen eine Weile — er,
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