Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1911

8 am Hochzeitstag hundert Markeln in nagelneuen Talern von mir auf d Hand aufzählt — 's is ein Wort du weißt, was ich sag', halt' ich! „Ja, ja“, sagte der Alte und lieb¬ koste den Taler in der Tasche. „Dös weiß ich! — Da gehst jetzt“, fuhr er ge¬ heimnisvoll fort, „ins G’wänd' aufi und holst dir mit'm Büchsel ein junges Bergwiesel runter! Darfst aber beim Schuß nix reden und nix rufen, ver¬ stehst, sonst fliegt die ganze Kraft von dem Zauber weg! Nachher streichst dös Blut von dem Tierl auf der Leni ihr Haustürschwellen und auf die deine und legst überall zwei Rosenknösperln kreuzweis drein — von dem Augen¬ blick, wo 's Dirndl auf die Schwell'n tritt, g’hört's dein und kann nimmer aus — verstehst? „Ja, ja,“ rief Veitl eifrig, „aber ich hab ja kein Büchsel!“ „Bist ein sauberer Bursch!“ lachte der Alte. „Ich hab' wohl früher selber eins g’habt! Manchen Rehbock hab' ich runtergeholt, von dem kein Jäger was g’wußt hat! Aber die Händ' sind mir zittrig worden und 's Aug' schwach da is 's Büchsel verrost't und verfault hinter einem Busch, wo i 's versteckt hab'! Aber weißt, beim Wirt drunten hab ich vorhin noch den schwarzen Hennes sitzen sehen — wenn du dem ein gutes Wort gibst und eine Maß Bier, nachher leiht er dir sei Büchsel die is net verrost't, derfst glauben! Der schwarze Hennes war der ge¬ fährlichste und gefürchtetste Wilderer in der ganzen Gegend Veitl stutzte einen Augenblick. Mit dem verrufenen Burschen anzubinden, wollte ihm nicht gefallen. Klaus, dem dies nicht entgangen war, zuckte die Achseln und wandte sich zum Gehen. „Wer nix wagt, gewinnt nix!“ murmelte er. 77 „Hast recht! sagte Veitl und rannte davon. Im Wirtshausgarten saßen noch etliche Nachtlichter und zechten. Im finstersten Winkel allein hockte der schwarze Hennes vor dem längst geleer¬ ten Krug und lauschte in verbissener Stimmung auf das fröhliche Geplau¬ der der anderen. Denen konnte leicht lustig ums Herz sein — sie hatten Geld. Geld war für ihn alles: Humor Freude, Leben. Ihm klang seit ein paar Wochen kein Taler mehr in der Tasche. Arbeiten mochte er nichts und sonst war nichts zu haben gewesen. Auf einmal saß der reiche Veitl mit einem gefüllten Maßkrug neben ihm. „Trink!“ sagte er freundlich zu dem Wilderer und tat sich Zwang an Der schwarze Hennes sah ihn mi߬ trauisch und verwundert von der Seite an. Aber schließlich schmeckte das Bier immer gut, woher 's kam. Er tat einen tiefen Zug — dann fragte er: „Wie komm' ich denn zu der Ehr'? Was 77 brauchst denn von mir? „Dei Büchsel brauch' i!“ sagte Veitl mit gedämpfter Stimme. „Jetzt gleich da hast ein Taler — morgen früh 27 kriegst es wieder zruck! Argwöhnisch betrachtete Hennes den anderen. Wollte man ihn fangen? Aber nein! Dazu gab sich der ehrliche, gut¬ mütige Bauernbursche nicht her. Mit gierigen Blicken betrachtete er den Taler — dann schob er ihn rasch ein. 7 „Is gut! sagte er. „Sollst es haben! Draußen vorm Dorf links vom Heg¬ rainer seinem Weizenacker im Gebüsch beim sechsten Weidenbaum liegt seit je¬ her ein großer Streuhaufen. □ „Unter dem hast's?“ fragte Veitl. Der andere nickte. „Heut,“ sagte er lachend, „morgen wieder wo anders! Hol dir's und bring's dorthin z'ruck. Paß aber auf, daß nix passiert— dir net und 'm Büchsel!“ Veitl nickte. Dann stand er auf und verschwand leise. Der schwarze Hennes tränk in eini¬ gen gierigen Zügen den Krug leer. „Dem schleich' i nach!“ murmelte er. „Wildern geht er net — dazu ist er z' dumm — zu was braucht er mei Büch¬ sel? Wo der eine Taler war, gibt's vielleicht auch noch mehr!

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