6 Wand 'runterholen, für d' Vroni, da¬ mit sie's vor ihrem Fenster findet, wenn s’ aufwacht! Leni stieß einen halblauten Schrei aus. Sie raffte sich vom Fenster empor — ein Blitzen im fahlen Mor¬ gengrauen — dann stieß sie den Dolch in das Bild an der Wand, und heiße, verwünschende Worte hasteten über ihre Lippen. 3. Kapitel. Veitl, der von der Leni so schnöde abgewiesen worden war, stolperte schel¬ tend und erregt durch die Sternennacht davon. Er hatte sich alles so hübsch ausgedacht. Auf dem Jahrmarkt war die stolze Höhbauerntochter so lieb und zutunlich zu ihm gewesen, daß seine Leidenschaft für sie in helle Flammen aufloderte. Nun noch am Kammer¬ fensterl ein trautes, gegenseitiges Ge¬ tändnis, ein heimliches Verlöbnis, das nur der plätschernde Hofbrunnen und oben der Mond über den Bergen ver¬ — nahm dann wollte er morgen vor seinen Vater hintreten und dem kund¬ tun, daß ihm die schöne, vielumworbene Leni 's Heiraten gelobt hätte in echs Wochen schon könnt' die Hochzeit sein. Hui, das sollte ein Kopulieren geben, wie's das Dorf seit zwanzig Jahren nicht gesehen! Wein und Bier ollte fließen drei Tage lang, die Musi¬ kanten mußten aufrebellen, wie wenn Königstag wäre, und die Böller sollten ein wildrollendes Echo an den Fels¬ wänden wecken, als bräche dort ein Hochgewitter seine Kraft. Aber der lau¬ teste von allen wäre er selber; tausend¬ mal wollte er's allen — den Neidern und Gönnern— zurufen: Juhu— hu! Die Leni ist mein! Das wird ein Leben! Auf zehn Stund' weitum hab ich die schönste Bäurin im Hof! Und mitten in all die glühende Liebeshoffnung hinein, dieser kalte Wasserstrahl — diese enttäuschende Zu¬ rückweisung! Steckte ihr doch schon wieder der verflixte Martl im Kopf von dem ihr Herz nicht recht lassen wollte, wie schlecht er sie behandelte! „O, du einfältiges Dirndl,“ schalt er und lief auf der mondbeschienenen Landstraße dem Dorfe zu, „hängst dich an den Burschen, der dich verachtet, und den andern, der dir z' Lieb 's Herz tät aus seinem eigenen Leib' reißen, der dir d' Sterndeln vom Himmel runterholt, wenn du nur einen Schnau¬ fer tust — den jagst weg von dei'm Fensterl! Saperti! Einen argen Zorn hab’ ich — 's Herz brennt mir und d' Leber! D' Leber schier ärger noch wie's Herz. Die Wut hat mir die ganze Gur¬ □ gel ausbrennt! Ich weiß schon, was ich tu — ins Wirtshaus geh' ich und trink und trink' und trink' Mitten in seinem Gepolter wurde er durch eine Gestalt gestört, die sich hin¬ ter einem Busch erhob und gespenstig in der weißen Mondlichtflut vor ihm stand. Es war der Freithof=Klaus — so genannt, weil er den ganzen Tag über im Friedhof saß und die Besucher des¬ selben anbettelte. Er war Dorfarmer, seit man dachte eine Schreckgestalt ür die Kleinen und ein Wesen, vondem die Großen nicht recht wußten, was sie daraus machen sollten. So viel stand fest, daß er allerlei Geheimes verstand und Dinge wußte, von denen sogar der Schulmeister keine Ahnung hatte. Manche und auch mancher, die ein schweres Anliegen — eine Herzens¬ angelegenheit, eine Krankheit oder ein Unglück im Viehstand — hatten, waren schon heimlich zum Freithof=Klaus ge¬ schlichen, der für ein gutes Wort und einen klingenden Händedruck immer ein kräftiges Sympathiemittel hatte. „Oho, rief er jetzt mit seiner hohlen Stimme und lachte leise, während er seinen Haselnußstock über Veitls Weg spreizte, „wohin denn so geschwind? Was springst mir in meinen Zauber¬ kreis?“ „Zauberkreis?“ stämmelte der Bursche furchtsam und sah sich scheu um. Er hatte ein besonders gruseliges Gemüt
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