Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1911

1 4 lich. Sie streifte sein Gesicht mit einem koketten Blick aus ihren Feueraugen, der ihm fast die Besinnung nahm. 77 „Geh, Leni, flüsterte er, „tu mir an G’fallen — trink' a Schöpperl Wein mit mir da drüben beim Wirt könnt'st mir kei größere Ehr' antun! Sie überlegte. „Wohl!“ sagte sie dann. „Aber unter einer Bedingung! Der Bursche tat einen Freudensprung und schlug mit den Händen auf die gebräunten Knie. „Soll i den Staffel¬ see austrinken?“ jauchzte er, „oder willst den Gockel vom Kirchturm droben ans Mieder stecken? Verlang' nur bloß hast es schon auch!“ „Na,“ lachte Leni, „so viel begehr' i — net aber a g’spassiger Wunsch is 's den in hab'! Weißt, a Bildl vom Martl möcht' i!“ „Vom Martl — a Bildl?“ wieder holte der Bursche langsam und miß trauisch. „Ja, weißt,“ sagte Leni, „zu a Kur! „Zu a Kur?“ fragte er. „Dös muß aganz sonderbare Kur sein!" „A ganz a sonderbare!“ bestätigte sie und ihre Augen glühten. „Verstehst Veitl,“ sagte sie vertraulich, „a Herzkur soll's sein! Wenn mei Herzl je wieder in seiner Dummheit an den Martl sollt' denken woll'n und ich tät' ihm das trutzige Bildl vorhalten — nachher wär's gleich kuriert — den Burschen sehen und hassen, dös is eins!“ Die wilde Leidenschaft in ihren letz¬ ten Worten überzeugte ihren Begleiter „Dös kann i machen! Jetzt gleich kann i 's machen!“ rief er eifrig. „Siehst'n dort steh'n den Martl bei der Vroni? Sie nickte. Ob sie ihn sah? Als ol sein Bild je nicht vor ihrer Seele ge standen hätte in den letzten Tagen und Stunden „Grad' gegenüber“, fuhr Veitl fort, „is a Photograph —der hat so an Monumentapparat—im Augenblick eh’ der Martl drandenkt, sitzt er schon auf'm Bild drob'n an! Geh' nur der¬ weil zum Wirt 'nüber und laß a paar Schöpperln Wein bringen — gleich werd' i 's haben! Nach wenigen Minuten trat er in die Wirtsstube, wo Leni in einer Ecke seiner wartete. „Is schon g’scheh'n!“ flüsterte er ihr vergnügt zu. „Gar nix g’merkt hat er weißt— grad hat er seinem Schatz, der Vroni, an verliebten Blick zu¬ g’worfen — bums, geschnakelt hat's, und drin sitzt er im Kasten! Ein Teufelszeug— die Monumentphoto¬ graphiererei! In einer halben Stunde kriegst du dös Bildl —prost, Leni d' Schlauheit soll leben! „Woher weißt denn du dös alles so?“ fragte sie, während in ihrem Herzen ein wilder Jubel tobte. „O, i bin hell!“ lachte er stolz. „Da schau her.“ — Er nestelte eine kleine Kapsel an seiner Uhrkette auf. „Was?“ rief Leni erstaunt. „Dös bin ja i!“ „Ja freilich bist es!“ lachte er. „Heut in der Früh', wie du da so stolz beim Photographen vorbeig'stiegen bist, hab' i an Taler springen lassen — da war dein Bild mein! Schau, Leni, in meiner Medallje bist drin — in mei'm Herzen da iatzt brauchest nur noch ganz auf'n Rainhof z' kommen — nachher wär's Glück fertig! Daß sie nichts antwortete, sondern nur für sich hinsann, nahm er für ein günstiges Zeichen und leerte sein Glas auf einen Zug. Plötzlich schrak sie auf. „Das Bildl hol' das Bildl iatzt!“ flüsterte sie. „J spring' schon!“ antwortete er, warf ihr noch eine Kußhand zu und lief davon. 2. Kapitel. Der Höhbauernhof lag über dem Dorf am Anstieg des Berges. Das schönste Stüberl im ersten Stock mit dem Ausblick ins Tal hinunter gehörte der stolzen Tochter vom Hause —der Leni. Aber heute war's ihr nicht um die Schönheiten der Natur — die herr¬

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