Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1911

ihm allein jeden Gedanken geweiht. Durch seine Absage war ihre Neigung für ihn zur wilden, habgierigen Leiden¬ schaft geworden. Entweder sollte sie ihn —oder keinen. besitzen sie Während Eifersucht und Haß sie immer tiefer erregten, vernahm unter den Beobachtern des glücklichen Paares da drüben ein eifriges Ge¬ spräch, das ein paar alte, geschwätzige Weiblein in ihrem Rücken führten „Ja, ja, meinte die eine, „g'schwind is 'gangen mit der Babett' — hin¬ g'schwunden is wie a Röserl, dös der Reif derwischt hat „Sag' nur, Traudl,“ fragte die an¬ dere, „was hat ihr denn eigentlich g'fehlt? — sie war doch so a frisch's, g’sund's Diandl!“ „Kein Doktor, kein Bader und kein Pfarrer hat's g’wußt“, entgegnete die erste. „Aber weißt,“ fuhr sie fort, „es 7 is nachträgli schon bekannt word'n Ihre Stimme verlor sich in heim¬ liches Geflüster. „Was? Totbet't!?“ murmelte die andere erstaunt. „Ja, ja — ja!“ nickte Traudl. „Hast denn davon nie was gehört? Wann eins a recht a nnchristliche, haßerfüllte Seel' hat, braucht's nur a Bildl von dem, den 's totbeten will, an d' Wand hängen und ihm a Messer ins Herz 7 stecken und recht beten dazu „Nachher muß dös andere sterben? frug die Zuhörerin entsetzt. „Sterben muß 's — da hilft kein — da hat der Teufel Professor mehr sei höllische Macht im Spiel. Und weißt, so hat's die Kathl der Babett g'macht — wegen der Eifersucht — ver¬ stehst —“ Die beiden Alten verloren sich in eifrigem Geplauder unter der Menge. Leni hatte mit stockenden Herzschlägen mit atemloser Spannung den letzten Sätzen des Gespräches gelauscht. Totbeten! Ja, das war das Rechte! Ein wilder, wahnsinniger Entschluß überkam sie. Wenn er nicht ihr eigen sein sollte, dann durfte der stolze Bursche, der nach seiner Absage — da¬ 3 für kannte sie ihn — nie mehr zu ihr zurückkehren würde, auch der andern nicht zu eigen werden. Totbeten wollte sie ihn. Es kam wie die Ruhe eines befriedi¬ genden Vorsatzes über sie — mit kalter Überlegenheit streifte ihr Blick das Bild unten an der Seidenbude, wo Martl dem Mädchen das eben erstandene Blumentuch mit einem Scherzwort um die Schultern wand. 's wird nicht lange Scherz' nur zu — mehr dauern — ein Bild, ein Messer ein Gebet — dann wird alles ge¬ schehen sein. Leni trat zu einem Messerhändler Dort wählte sie einen kleinen, zierlichen Dolch. Wie sie die Scheide abnahm und die Klinge in der Sonne blitzen ließ legte sich eine Hand leicht auf ihre Schulter. Es war der Veitl vom Rain ein allzeit fideler, gutmütiger Bursche, der längst ein Auge auf die schöne Leni geworfen hatte. „Kaufst dir a Stilet“, sagte er, „zum Umbringen, weil dir da Martl d' Lieb aufg'sagt hat? lachte sie übermütig. „O na!“ „Könnt' mir einfallen wegen dem der is mir längst aus'm Sinn! Aber weißt, Haselnuß haben wir so viel oben an der Hecken hinterm Höhbauernhof die iß i so gern — da hab' i mir a Messer kauft zum Aufmachen! Veitl war ganz entzückt von der lustigen, zutraulichen Art ihrer Rede. Und wie ihre Augen dabei funkelten, wie ihre Wangen glühten! Ein schmuckes Dirndl! Wenn er sie doch vielleicht noch heimführen könnte. Es ward ihm heiß und unruhig unter dem schneeweißen Hemd. „Weißt, Leni,“ lachte er, während er neben ihr herging, „zum Nußknacken hätt'st du dir net eigens a Messer kaufen brauchen — hätt'st nur mich 77 einstellen sollen als Nußknacker Er wies ihr zwei Reihen prächtiger, fester Zähne. Daß der in sie verschossen war, wußte sie längst. Aber halt, heute vielleicht machte — kam 's ihr gelegen seine blinde Liebe Unmögliches mög¬ 1*

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