Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1910

98 habe darauf sofort „Ja" gesagt und alles wegen der Heirat bereits angeord ­ net. Anfangs habe sie sich zwar fürchterlich gesträubt, sie hatte sogar gedroht, sich das Leben zu nehmen. Da sei der Vater, gebrochen an Leib und Seele, ihr zn Füßen gefallen und habe sie beschworen, Josef zu nehmen, weil sonst das Aeußerste bevorstehe. „Noch horte Ringen," sagte sie schließlich, „ho ech eigewelligt. Etz es olles ein Gong. Ech war JousefusWeib un rett men Votr. Wos zweschen uns wor, muß vergessen sein !" Große Perlen rollten bei diesen Worten über ihre blassen Wangen. „Moch ka Dummerein, Berta . . ." „Nae, ech dorf ni, sä ech dr nonch a moll," sprachs und war schon seinen Blicken entschwunden. Dem Burschen wars im Augenblick, als müßte die Erde mit ihm untergehn. Aber sie tat's nicht — es wäre wohl auch arg, wenn sich jeder Wuusch uud Gedanke eines unglücklich Verliebten er ­ füllen würde. Was hätte Robert drum gegeben, wenn er jetzt wieder beim Militär ge ­ wesen wäre. Er starrte noch einWeilchen düster vor sich hin, dann setzte er lang ­ sam seine Glieder in Bewegung; es schien ihm, als hätte er Blei in ihnen. Gar bald darauf heiratete Berta, wie sie es gesagt hatte. Wieder war's Sommer. Der Nach ­ mittag war eiufach gottvoll. Auf längere Dürre war ein ausgiebiger, segnender Regen erlösend gefolgt. Erst gegenMittag hatte sich das Wetter vollständig ausgeheitert und golden strahlte Gottes Sonne hernieder auf die neubelebte Erde. Der Müller hatte die Brettsäge, welche der Dürre wegen gestanden hatte, eingerichtet, denn nun gab es ja Wasser zur Genüge. Der Baumstamm lag bereits vor der Säge, es brauchte nur das Wasser eingelassen zu werden und das Werk war wieder im Gange. Mit sicht ­ licher Freude hatte der alte Maun die Vorbereitungen getroffen, sehnte er sich doch förmlich danach, wieder den gewohnten Sang der Säge zu hören. Gerade als er das Wehr öffnen wollte, stürmte weinend seine Tochter heraus uud rief ihu in dieMühle. Dort lag bewußtlos seiu Schwiegersohn. Der ­ selbe hatte einen Sack voll Biehl über die Stiege tragen wollen und war dabei gestürzt. Der Bewußtlose wurde ius Bett getragen, indes der Müller die Pferde anspannte, um deu Arzt zu holen. Berta war so mit dem Kranken be ­ schäftigt, daß sie ganz ihres zweijährigen einzigen Kindes vergaß. Die Kleine hatte selbstverständlich von dem schwerenUnfall, den der Vater erlitten, keine Ahnung. Sorglos spielte sie imGarten. Sie ging dann, von niemand gehindert, spielend weiter. Geflissentlich wich sie dem Teiche mit seinem „Wassermann" aus uud spazierte iu die Brettsäge. Wie nuu Kiuder sind, schwang sich das Mädchen auf den Baumstamm, der vor der Säge lag uud spielte „Pferdl". Eiueu Span als Peitsche benützend, schlug die kleine unter lauten „Wio"- Rufen auf das Klotz ein. Da — auf einmal fing die Säge an zu arbeiten, von selbst rückte der Baumstamm lang ­ sam aber stetig weiter, was dem Kinde sehr gefiel. Es halte seine Helle Freude daran, wie die Zähne hurtig auf uud nieder fuhren und wie sein Pferdchen schön vorwärts ging. Den Span hatte es weggeworfen und patschte nnn in die Händchen — mit freudestrahlendem Ge ­ sichtchen ritt es ahnungslos iu den Tod. Immer näher kam es den bereits wieder glitzernden Niesenzähnen, immer näher und näher — schon erfaßte das mor ­ dende Eisen das Kleidchen — jetzt — ein fürchterlicher, durch Mark und Bein gehender Schrei und stille steht die ge ­ fräßige Säge für einige Augenblicke. Gleich darauf stürzte Berta herbei — entsetzt vor Schreck starrt sie auf die formlose Leiche. Sich wild die Haare raufend, lief sie in den Garten und von dort wiederum in die Stube, wo sie sich vor das Bett des Gatten kauerte.

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