Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1910

92 Der als Nachfolger Abdul Hamids zum Sultan proklamierte Bruder desselben, Mchmed Reschad Efsendi, nahm den Herrschernamen Mc hme d V. an. Am 10. Mai 1009 fand in der Ejubmoschee die — der Krönung in an ­ deren Staaten entsprechende — Schwcrtumgürtungszcrcmonie statt; am 20. Mai 1909 endlich erfolgte vor der Nationalversammlung die Ver ­ lesung der Thronrede durch den Großvesier, sowie die Eidesleistung des neuen Sultans sowie der Deputierten und Senatoren auf die Ver ­ fassung statt. Inzwischen hatte das sogleich nach dem Ein ­ märsche der Frciheitsarmec in Konstantinopel eingesetzte Kriegsgericht rasch und strenge seines Amtes gewaltet. Eine ganze Reihe jener Per ­ sonen, welche die Gunst des abgesetzten Sultans genossen und zu ihren Privatzweckcn mißbraucht oder denselben in seiner schuldhaften Haltung hervorragend unterstützt, ferner jene, welche die Gegenrevolution vom 13. April 1909 herbeigcführt, gefördert oder daran aktiv teilgcnommen, hatten sich — > soweit man ihrer habhaft ge ­ worden — vor diesem Gerichte zu verantworten. Eine große Reihe von Todesurteilen gegen die am schwersten Belasteten wurde gefällt und sohin auch vollzogen, bei den Minderschuldigen lautete das Strafeckcnntnis auf Verbannung, Freiheits ­ strafe oder Vcrmögeuskonfiskation. -ü ü- * Am 23. August 1908 brach in Konstantinopel eine schwere Brandkatastrophe aus, die in wenigen Stunden bei 6000 Häuser — allerdings meist hölzerne Baracken — darunter Kaufläden, Basare und auch Moscheen, ini Stadtviertel Sultan Mehmcd (Stambul) einäschertc und Tausende von Familien — bei 20.000 Menschen — ob ­ dachlos machte. Bulgarien. Am 5. Oktober 1908 erfolgte in Tirnowo durch den Fürsten Ferdinand von Bulga ­ rien die feierliche Proklamierung des im. Jahre 1885 vereinigten Bulgarien zum unabhängigen Königreiche. Dieser Schritt war, gleich der einige Tage später erfolgten Annexion Bosniens und der Herzegowina durch Oesterreich, eigentlich nichts anderes als die Verwandlung eines faktisch bestehenden Zustandes in einen Rechtsznstand ; der Fürst von Bulgarien hatte ja der Pforte doch nie den schuldigen Tribut gezahlt und das Land war cke luato unabhängig — daß c« vom Fürstentum zum Königreich erhoben wurde, Ivar eigentlich der einzige äußerlich erkennbare Unter ­ schied. Die Pforte remonstrierte zwar selbstver ­ ständlich gegen den „eigenmächtigen" Vorgang, und cs schien kurze Zeit, als ob cs diescrhalb zu einem Kriege zwischen Bulgarien und der Türkei kommen würde, aber schließlich kam auch hier, dank besonders der friedlichen Intervention Rußlands, am 19. April 1909, eine auf finan ­ zieller Basis aufgebaute Einigung, welche die Genehmigung des türkischen Parlaments und des Sultans fand, zustande — die Unabhängig ­ keit Bulgariens wurde sohin wie dessen Erhebung zum Königreich auf Grund dieser Einigung von der Türkei und dann auch von den Großmächten anerkannt. Der Amtstitcl des bulgarischen Königs lautet i „König der Bulgaren". Prinz Ferdinand Maximilian Karl Leopold Maria von SachscnKvburg und Gotha, dec nunmehrige „König der Bulgaren", wurde in Wien am 26. Februar 1861 als jüngstes Kind des Prinzen August von der österreichischen Linie des Hauses Koburg und der Prinzessin Klementine geboren. Am 7. Juli 1887 war nach dem Rücktritte des Fürsten Alexander von Battenberg in der bul ­ garischen Sobranje seine Wahl zum Fürsten von Bulgarien erfolgt. Afrika. Marokko. In dem Kampfe, welcher am Schluffe der früheren Berichtspcriode zwischen dem danials regierenden Sultan Abdul Aziz und dem Gegensultan Muley Hafid unentschieden wogte, neigte sich schließlich der Erfolg auf Seite des letzteren. Besiegt mußte Abdul Aziz fliehen und seinem Gegner den Thron überlassen. Später kam zwischen den Leiden ein gütliches Arrangement zustande, das dem Sieger den Thron, dem Besiegten finanziell die fürst ­ liche Existenz sicherte. Nachdem Muley Hafid sich zur 'Respektierung der Algcciras-Akte verpflichtete, fand er anch die Anerkennung der Großmächte. K o n g v st a a t. Die belgische Kammer hat am 20. August 1908 und der belgische Senat am 9. September 1908 den Vertrag über die Abtretung des Kongostaatcs an Belgien an ­ genommen. Südafrikanische Kolonien. Die Tclegicrtcnvcrsammlung, welche den Zusammen ­ schluß der südafrikanisch-britischen Kolonien in die j Wege leitete, beschloß am 2. Februar 1909 ein ­

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