Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1910

»6 Telegramm. Die meiner politischen Arbeit be ­ zeugte Anerkennung hat mir wohlgetan. Für Ihre Absicht, einem Tampser der Hamburg — - Amerika-Linie meinen Namen geben zu lassen, bin ich um so dankbarer, als mich Jugenderinnerungen und Blutsverwandtschaft nach Hamburg nnd der Elbe hinrufen. Lassen Sie mich auch der Ueberzeugung Ausdruck geben, daß die NcichSpolitik nie die gewaltigen Interessen aus den Augen verlieren wird, die sich in Han ­ del, Industrie und Schiffahrt verkörpern." * -iDr. Thevbald v. Bethmann-Hvllwcg, der neue Reichskanzler, steht im 53. Lebensjahre. Nach vollendeten rechts- und staatswissenschaft ­ lichen Stndicn wendete er sich dem Verwal ­ tungsdienste zu, wurde 1885 Regierungsassessor in Potsdam, ein Jahr darauf Landrat in OberBarnim, in welcher Stellung er zehn Jahre verblieb. Er wurde sodann als Oberpräsidialrat nach Potsdam versetzt und 1899 zum Regie ­ rungspräsidenten in Bromberg befördert. Schon drei Monate später wurde Dr. v. BethmannHvllwcg Obcrpräsident der Provinz Branden ­ burg. 1905 übernahm er das preußische Porte ­ feuille des Innern, das er zwei Jahre bcibehielt. 1907 schied Dr. v. Bethmann aus diesem Amt, nm die Stelle eines Ncichsstaatssekretärs des Innern und mit dieser zugleich die des Vize ­ präsidenten des preußischen Staatsministcriums anzntrcten. Im Landtag des Großherzogtums Mecklen ­ burg-Schwerin wurde am 12. Oktober 1908 ein auf Verfassnngsreform gerichteter Negierungscntwurf eingebracht. Am 22. Oktober 1908 sand im Kurfürstcnzimmcr des königl. Schlosses zu Berlin die stan ­ desamtliche Eheschließung des Prinzen An g u st Wilhelm, des vierten Sohnes des Kaisers Wilhelm II., mit der Prinzessin Alexandra Viktoria zu Hol stein-Glücksburg statt. Am 26. September 1908 ereignete sich ans der Berliner Hochbahn eine furchtbare Katastrophe durch den Zusammenstoß zweier Züge auf dem sogenannten „Geleisedreieck", einer Anlage, die nut großen Kosten geschaffen worden war, nm an dem Knotenpunkte dreier Linien der Hoch- und Untergrundbahn das Durchfahren der Züge nach verschiedenen Richtungen ohne Schienenkreuzung zu ermöglichen. Die Katastrophe wurde dadurch verursacht, daß ein Zug einem anderen in die Flanke fnhr. Ein Wagen III. Klasse des an ­ gerannten Zuges stürzte über 6 Meter tief vom Viadukt auf die Straße, ein zweiter Wagen blieb im Sturze hängen, beide incinandergcfahrcncn Züge lagen zerstört auf der Rampe. 21 Passa ­ giere fanden unmittelbar ihren Tod, über 50 wurden mehr oder minder schwer verletzt — einige davon erlagen noch nachträglich ihren Verletzungen. Am 15. Jänner 1909 starb in Berlin Ernst v. Wildenbruch, ein viclbekannter deutscher Dichter und Schriftsteller, ein bedeutender Dramatiker, im 64. Lebensjahre. Der Dichter der Preußendramen — hatte Wildenbruch eine Seite seines Talents in die Dienste der hohenzollernschen und märkischen Ueberlieferung ge ­ stellt, ohne dadurch einseitig zu werden. Ein ihm geweihter Nachruf sagte von ihm: „Ein aus vollem Herzen heraus die Herzen bewegender Dichter, ein starker dramatischer Könner, ein vornehm gearteter Sprecher der Zeit und ihrer Ideen und in Wahrheit einer von den „Edelsten der Nation" ist niit Ernst v. Wildcnbruch aus dem Leben geschieden." Atakierr. Eine SchreckenSknnde flog am 28. Dezember 1908 durch die Welt: eine furchtbare Erdbeben ­ katastrophe war in der Nacht vom 27. auf den 28. Dezember über Süditalicn hercingcbrvchen: Messina, Reggio di Calabria und viele andere Orte in derweit genug ausgreifenden Region des Bebens waren fast gänzlich vernichtet worden, mit ihnen Tausende von Menschenleben und ungeheure Werte, und je mehr Kunde der Tele ­ graph aus den Stätten des Unheils, des Ent ­ setzens brachte, desto ergreifender wurden die Berichte, desto tiefer die Trauer, die sie in der ganzen Welt hervorricfen. Italien, das Land der lachenden Lebenslust, war zur Stätte tiefen Schmerzes geworden — es war ein großes Weinen über das Reich der sonnigen Künste, das Land der Schönheit gekommen. Und nicht genug der Schrecken des Erdbebens, wollte auch das Meer seine Opfer haben; selbst aufgewühlt in seinen Tiefen durch die Gewalten des Erdinnern, traten seine Fluten in Messina und an ­ deren Orten über die Ufer, dann kam das Feuer, die Vernichtung zu vollenden, und menschliche Hyänen drangen plündernd durch die zerfallenen Häuser, so daß mit Waffengewalt cingeschrittcn

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