Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1910

80 mich als Josefiner verschrien" — so sagte vor wenigen Jahren der nun Dahingegangene — „nnd in Wirklichkeit bin ich auch josefinisch, das heißt großöstcrrcichisch, deutsch und gemäßigt fortschrittlich" — und in diesen Worten hat er sein politisches Glaubensbekenntnis nicdcrgelegt. Ein Leben, reich an Inhalt, ist zu Ende ge ­ gangen, eine vornehme und unermüdliche Schaf ­ fenskraft ist versiegt, aber sein Bild, das Bild eines echten Benediktiners, eines deutschen und fortschrittlichen Priesters, der in Arbeit und Ge ­ sinnung stets zu seinem Volke hielt, wird nicht vergehen. Sein Nachfolger ist der Abt John, ein geborener Kreibitzer. Am 9. Juli 1909 verschied Plötzlich im 62. Lebensjahre Graf Kasimir Badeni, der österreichische Ministerpräsident jener Epoche, in welcher die seither endemisch gewordene Ob ­ struktion mit der ganzen Heftigkeit einer neu anftretenden Epidemie den parlamentarischen Körper durchfiebertc. Sein Name ist unver ­ gänglich an eine der traurigsten Episoden des parlamentarischen Lebens in Oesterreich gebun ­ den, eine Episode, deren einziger Lichtstrahl das elementare Aufbransen des Deutschtums im österreichischen Abgevrdnctcnhause bildete, ein Anfbrausen, das den Mann, der da glaubte, nut starker Hand über dieses Deutschtum hinweggchen zn können, im Sturme hinwegfegte nnd damit der verdienten Vergessenheit zusnhrte. Unvergessen wird aber jene Tat dieses Mannes sein, welche die nnmittelbare Ver ­ anlassung zu seinem Sturze wurde. Die von Badeni gegen die Teutschen versuchte Lösung der böhmischen Sprachcnfrage stand auf der Tagesordnung der inneren Politik; das Vor ­ gehen des Ministerinms Badeni in dieser Frage hatte schwere Obstruktionskämpfe im Abgeordnctenhans hcrvorgerufcn und ein Ende derselben war nicht abzusehen. Da kam der 28. November 1897, und damit die verhängnisvolle Sitzung der Deputiertcnkammcr, in welcher die Obstruktionsszcnen ihren Höhepunkt erreichten und in welcher auf Grund der Falkcnhaynschen Ge ­ schäftsordnung, die durch eine überrumpelnde Abstimmung zustande gekommen war, die Sicherheitswache in den Sitzungssaal des Ab ­ geordnetenhauses eindrang und mehrere Abgeord ­ nete verhaftete. Die Entrüstung, die dieses Vor ­ gehen hervorrief nnd sich in stürmischen Straßenkundgebungen äußerte, führte den Sturz Badenis herbei. Schon am nächsten Tage nahm der Kaiser die Demission des Grafen Badeni an und betraute den Freiherr» v. Gautsch mit der Bildung des neuen Ministeriums. — Graf Badeni — einer im zweite» Jahrzehnt des XVI. Jahrhunderts in Polen eingewanderten italienischen Familie entstammend — war am 14. Oktober 1816 in Surochow (Galizien) ge ­ boren worden. Am 29. September 1895 wurde er zum österreichischen Ministerpräsidenten er ­ nannt und am 29. November 1897 war er als solcher gefallen. Am 4. April 1909 starb in Prag, wo er zur Absolvierung eines Gastspieles im „Neuen Deutschen Theater" weilte, Adolf Ritter von Sonnentha l, einer der größten zeitgenössi ­ schen deutschen Schauspieler, durch viele Jahre eine der ersten Stützen des Wiener Bnrgtheaters. Sonnenthal wurde am 21. Dezember 1834 — nach anderen zwei Jahre vorher — in Pest als Sohn eines Schnittwarcnhändlcrs geboren; er erlernte dann das Schnciderhandwerk und kam als junger Schncidergcselle nach Wien. Ein erster Besuch im Burgtheatcr, wo man den „Erbförster" gab, machte ihn jedoch seinem ehrsamen Gewerbe abspänslig und führte ihn dem Theater zn. Dawison erkannte bald sein großes Talent, wurde sein Lehrer und stellte ihn DirektorDoktor Laube vor, der ihn zunächst als Statisten auf der Bühne des Burgtheaters auftrctcn ließ. Am 30. Oktober 1851 begann dann Sonnenthal als Phöbus im „Glöckner von Notre-Dame" am Stadttheatcr zu Temcsvar seine eigentliche künst ­ lerische Karriere. Ueber Hermannstadt, Graz und Königsberg führte ihn sein Weg zum Wiener Hofburgtheater, woselbst er am 18. Mai 1856 alsMortimer unter Laubes Auspizien debütierte. Nach seiner dritten Debütrolle als Don Carlos wurde er sofort auf drei Jahre und nach Ablauf dieser Zeit auf Lebensdauer an das kaiserliche Schauspielhaus engagiert. Er war und blieb bis zu seinem Ende ei» Liebling des Wiener Publi ­ kums, und wenn auch in seinen letzten Tagen sein Organ in dem allerdings sehr unakustische» neuen Hause oft sich nicht recht verständlich machen konnte, so hat dies nichts mehr an seiner dominierenden Stellung im deutschen Theater zu ändern vermocht.

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