Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1910

mit jedem Schritte ins Bodenlose und dem harrenden Tod in die Arme zu sinken sicher war. Somit war der Wunsch und die Hoffnung eine Torheit, die Entsagung aber eine Notwendig ­ keit geworden, welche er, der Eitelkeit zu Gefallen, auchWeisheit und Seelsngröße nennen konnte. Er schrieb an Aurora nur folgende Worte: „Geliebteste! Der Tod drängt mich geheimnisvoll aus deinen Armen. Wir können einander hier nicht ange ­ 59 blatte fest und noch immer glaubte sie, uicht recht gelesen zu haben, während die aus deni schönen Auge fallenden Tropfen, ihr Gefühl gleichsam verkör ­ pernd, die nackten Todesworte ver ­ wischten, welche gleich ebensovielen Dolchen ihr plötzlich ins Herz drangen. Welch ein Geheimnis, fragte sie, ist groß und heilig genug, um sich nicht in dem großen Geheimnisse der Liebe auf ­ lösen zu können! Sollte vielleicht die rätselhafte Erklärung auch nur als hören; in heißer Liebe aber bin ich hier wie dort dein Eduard!" Er wollte nnd konnte sie nicht mehr scheu und reiste eiligst nach Ungarn auf sein entlegenstes Gut, KaPosvLr, als er das Billett in ihren Händen wußte. V. Schreck und Zweifel, Schmerz und Zorn stürmten wechselnd durch Aurorens Seele. Schon eine Stunde lang hielt sie den Blick auf dem Unglücks ­ Maske für seineu Waukelmut dienen, oder war er wirklich einer finsteren Schicksalsmacht als Opfer anheim ­ gefallen? Diese und ähnliche Fragen quälten die Unglückliche unausgesetzt; die Stirn brannte ihr fieberhaft von der An ­ strengung, neue Möglichkeiten für die Bedeutung jener Zeilen aufzufinden, und sie verfiel aufmancherlei, nur nicht auf dieWahrheit. Indes näherte sie sich dieser, nach der Abschweifung in immer

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