Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1910

53 nugtlluiig als sein plumper Fall durch Ihre Kugel." „Sie eröffnen mir da eine Aussicht, die nur ein kaltberechnendes Verstan ­ desauge, wie ich.es nicht habe, ermessen kann, und finden deshalb einen unge ­ lehrigen Schüler an mir", versetzte O'Nelly mit finsteren Blicken. „Über ­ dies widerstrebt es meinem Ehrbegriffe wie meinem Gefühle, die rasche Genug ­ tuung, die ich als Edelmann suche, zur wohlüberlegten langsamen Grausam ­ keit eines menschlichen Dämons auszu ­ dehnen. Indes, da mein Gegner das Würfelduell vorschlug, so mag es dabei bleiben." „Vortrefflich!" fiel Bastiaui ein, „aber Sie verkennen mich in dem Glauben, ich wolle Sie zu einem dämo ­ nischen Verfahren verleiten. Sie haben mich noch nicht angehört, oder vielmehr übersehen, daß in dieser Art des Duells innerhalb der weiten Grenze eines Jahres eine schöne Macht großmütiger Genugtuung enthalten ist, nämlich: ihm das Leben zu schenken. Ich halte j Sie eines solchen Edelmutes nicht un ­ fähig, und bitte Sie daher, im Falle Sie Sieger bleiben, nicht vorschnell von Ihrem Rechte Gebrauch zu machen, in ­ dem Sie dem Grafen auf der Stelle den Selbstmord gebieten." O'Nelly heftete einen wärmeren Blick auf den Spieler, dem er in den Phrasen des sittlichen Wertes ein so fein unterscheidendes Gefühl kaum zugetraut hätte. „Wohlan denn," schloß er, „ich verspreche Ihnen Mäßigung. Ich gehe jetzt, meine Angelegenheiten auf jeden Fall zu ordnen und darf also auf Sie als Sekundant rechnen?" „Ich werde mir die Ehre nicht nehmen lassen", erwiderte Bastiani, und jener ging. Der Glücksritter sah ihn: lächelnd durchs Fenster nach. Er hatte rasch ein Plänchen fertig, womit er bei der be ­ vorstehenden Katastrophe ein gutes Geschäft zu machen hoffte, indem er sie verhinderte', denn er war weniger bos ­ haft als leichtsinnig und gewinnsüchtig und dachte, die Macht über das Spiel jedenfalls in den Händen behalten zu können. Graf Picek war inzwischen wie sein Gegner bereits eifrig beschäftigt, sich auf jeden Fall vorzubereiten. Er eilte nach Pest, traf dort so schleunig als möglich die nötigen Verfügungen, er ­ nannte einen außerordentlichen Bevoll ­ mächtigten und legte sein Testament nieder, worin er Auroren, welche seine plötzliche abschiedslose Abreise sich nicht zu erklären mußte, zur einzigen Erbin einsetzte. Nur eine Stunde vor dem festgesetzten Duelltermin kehrte er wie ­ der nach Freiwaldau zurück und eilte nach kurzer Rast ins Hinterstübchen eines Gasthauses, wohin er seinen Se ­ kundanten, den Grafen Goseck, beschieden hatte. Bald trat dieser und nach ihm O'Nelly und Bastiani ein. — Picek war verwundert, den wohlbekannten Abenteurer hier zu finden, und heftete einen langen Blick auf ihn, als wolle er fragen: Wie kommt dieser Mensch mit den lauernden Blicken, mit der Habichtnase, mit dem ganzen untrüg ­ lichen Gaunergesichte, in einer Gesell ­ schaft von Männern, welche der Ehre, ihrem Götzen, Lieb' und Leben zu opfern im Begriff sind? O'Nelly bemerkte diesen seltsamen Blick, und stellte seinen Sekundanten vor, indem er hinzufügte: „Ich hoffe doch, daß man gegen den Marchese nichts einzuwenden hat, was ihn seines übernommenen Ehrenamtes unwürdig erscheinen ließe." Seiner moralischen Überzeugung nach hätte Picek allerdings eine Ein ­ wendung gehabt, doch wußte er keine eigentlich entehrende und beweisliche Tatsache aus Bastianis Leben, weshalb er auf einen anderen Sekundanten hätte dringen können. Zugleich er ­ innerte er sich feiner Dankpflicht gegen den Italiener wegen der Warnung in Triest, wodurch er dort den meuchleri ­ schen Messern entging, und also er ­

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2