Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1910

50 „Warum uicht!" erwiderte Bastiani nach kurzem Besinnen; — „auf Ihr Ehreuwort zur Verschwiegenheit will ich Ihnen gern anvertrauen, was mich so seltsamlustigmacht. Als ich vor etwa eiuem Jahr in Triest Bank hielt, war es Picck, der die Aufhebung derselben bewirkte. Mit Mühe entging ich der Verhaftnng, war aber so kahl wie eine Maus, uud nur durch die großmütige Unterstützung eines Unbekannten ward ich im Hotel, wo ich mich festgezehrt hatte, wieder flott undmit Reisemitteln versehen. Schon vorher hatte mir Picek eine große Rechnung verdorben. Fräu ­ lein Aurorawar damals in Triest, und armund hilflos, als ihreMutter starb. Ein reicher Engländer hatte eine hef ­ tige Leidenschaft zn dem schönen Mäd ­ chen gefaßt, wie ich selbst. Indes, da ich dieUnterhandlungen für ihn leiten und dafür mit britischer Großmut bedacht werden sollte, unterdrückte ich meine eigenen Gefühle. Schon war ein feines festes Netz fürAurora gewebt, da zerriß es Graf Picck plötzlich, indem er sich zn ihrem Ritter erklärte und sie aus aller Verlegenheit befreite. Ich wütete und streute verschiedene üble Gerüchte über das Mädchen aus, um ihn abzu ­ schrecken, aber vergebens. Er forschte nach der Quelle, und fast wär' es mir übel bekommen. Zuletzt versuchte ich noch, ihm von einigen käuflichen Messern im Dunkeln eine Wnnde beibringen zu lassen, woran er nicht sterben, aber doch einWeilchen zu Bette liegen und mirRaumzumSpiele gewähren sollte. Auch dies mißlang, und zwar durch meine eigene Schuld. Ich schrieb nämlich an einen vertranten Anführer der Finsterlinge: »Dem Grafen Picek wird um 12 Uhr am Molo und zugleich am Wege nach der bewußten Villa aufgelauert", und dar ­ unter meinen Namen. Ich überschrieb indes das Billett nur: .Den Grafen Picek betreffend", damit für den Fall, daß es in fremde Hände geriete, der geheime Bundesgenosse durch seine Adresse nicht in Gefahr käme. Der Mensch, den ich mit diesen Zeilen an ihn abschickte, mußte mich mißverstanden, die eingeschärfte Adresse vergessen haben, oder wie es sonst zugegangen ist, genug, dasBillett geriet an Picek selbst, dem es Verderben bringen sollte. Es schien ihm natürlich eineWarnung von mir und er entging diesmal, wie später, den für ihn geschliffenen Messern. Bald darauf folgte die Katastrophe mit der Bank, wo er mich für meine freilich unfreiwillige Dienstleistung so übel be ­ lohnte. Ich reiste ab und hab' ihn nicht wieder gesehen; nur erfuhr ich, daß er Fräulein Aurora nach Ungarn zuriickgeleitet habe. Nun muß ich gestehen, daß ich gern eine günstige Gelegenheit benutzen möchte, ihm meine Erkenntlich ­ keit für den durch ihn erlittenen Scha ­ den und seine Undankbarkeit fühlbar zu machen." „Auch ich glühe vor Sehnsucht nach Rache," sagte O'Nelly, „allein sie ent ­ sprang nicht aus elenden! Goldverlust und betrifft nur diesen Picek, insofern er der Sohn jenes nun verstorbenen Grafen ist, der meinem verstorbenen Vater einst eine unverdiente furchtbare Schmach angedeihen ließ, wofür ich jetzt nnr eine Genugtuung an dem Ge ­ schlechte nehmen kann. Diese aber muß ich erlangen nnd sollte ich darüber zugrunde gehen." „Und wollen Siemir nicht die nähe ­ ren Umstände dieses Schimpfes auvertranen?" fragte Bastiani. „Nicht gern; indes es sei, obschon bei dem bloßen Gedanken daran, wie viel mehr nicht bei der Erzählung, eine ganzeHölle inmir anfwacht", erwiderte der Irländer nach einigem Nachsinnen. „MitwenigenWorten nnr: MeinVater machte eine Reise durch Ungarn; im Gcbirg plünderten ihn Räuber gänzlich ans. Im nächsten Dorfe flehte er um Hilfe; sie sollte ihmwerden — da führt der böseZufall eineu Reiter amFenster der Hütte vorüber, wo mein Vater ver ­ weilt. Dieser glaubte in jenemeinen der ! Räuber zu erkennen und unvorsichtig ' äußert er es gegen seinenWirt. Er er-

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