Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1910

43 seinen Willen waren von jeher ein Grundzng ihres Charakters gewesen, den sie auch jetzt, wie sehr ihr Herz an dein Geliebten hing, nicht verleugnen konnte. „So ist es denn Euer fester Wille," fragte sic mit mühsam errungener Fassung, „daß ich Harsdörfer meine Hand am Altar reiche? Kann nichts Euch von diesem Entschluß abbringen, auch der Gedanke nicht, daß Ihr Euch iu diesem Freier täuschet, daß er nicht der Mann ist, dem Ihr Eures Kindes Glück mit Ruhe auvcrtrauen kämst?" „Ich habe", erwiderte der Vater, „nach den mir von Gott geschenkten .straften des Verstandes die Sache nach allen Seiten hin geprüft, und kann in deiner Verbindung mit Albrecht nur Erfreuliches für dich sehen. Sei darum mein gehorsames Kind und ehre den Willen deines Vaters. — Ich sehe Harsdörfer kommen, geh', mein Kind, bis ich dich wieder rufe." „Seid mir bestens gegrüßt," sagte Besserer, als sein Kollege eintrat, „ich kann Euch die angenehme Nachricht geben, daß meine Regina Eure Bewer ­ bung gern annehmen wird." „Wirklich?" erwiderte Harsdörfer, „wollte mir doch der Mist beinahe sinken, nach dem, was ich vor einer Stunde erfahren habe." „Und dies wäre?" „Ihr kennt den Schneider Berblinger, den Saufaus; der Bursche ließ allerhand Reden fallen, worin Euer Hans und Regina vorkamcn; es wurde mir hinterbracht, und für ein Glas Branntwein teilte er mir mit, daß ein als Schneidergeselle verkappter An ­ beter Eurer Tochter sich bei ihm aufgehalten uud von dort einigemal in Enrem Hause sich zu tun gemacht habe. Umso erfreulicher ist es mir, daß Re ­ gina diesen Bewerbungen kein Gehör geschenkt, sondern dem Willen des Vaters sich ergeben hat." „Dies ist Lüge," fuhr Besserer auf, „meine Tochter hat hinter meinem Rücken kein Liebesverhältnis angespon ­ nen; vor ihrem Vater hat sie kein Ge ­ heimnis!" „Dem sei, wie ihm wolle," beschwich ­ tigteHarsdörfer, „sie hat jedenfalls da ­ durch keine Pflicht verletzt; denn wer wollte ihre Liebenswürdigkeit ihr zum Verbreche» machen?" Auf einen Wink erschien die Tochter mit bleicher Wange und träuenroten Augen. Harsdörfer begann seine Wer ­ bung, um auch von Regina das Jawort zu erhalten, das abzngeben sie nicht übers Herz bringen konnte. Endlich sagte sie: „Gehorsam gegen den Willen meines Vaters habe ich stets als heilige Pflicht geachtet und will anch jetzt ihr nicht un ­ tren werden. Es ist sein Wille, daß ich Euch, Herr v. Harsdörfer, meine Hand am Altar reiche; bestehet Ihr als-) noch ferner ans Eurer Webbnng, so hat der Wille meines Vaters unser künftiges Verhältnis entschieden." Harsdörfer war dieses erzwungenen Jawortes zu ­ frieden, nnd die Verlobung wurde in bester Form vollzogen. - Ganz Ulm war auf den Straßen; alt und jung, reich und arm trieb sich im Sauutagsputz in der Stadt nmher, da diese, dem großen Schweden ­ könig Gustav Adolph zn Gefallen, ihm in Zusmarshausen die Beitrittskunde übergeben hatte, und er nnn an diesem Tage der ihm Verbündeten Reichsstadt selbst einen Besuch aüstatten wollte; — das Zeichen, daß er dieMarkung Ulms betreten habe, ertönte, und der Zug des Rates und der Zünfte setzte sich in Bewegung. Bald verkündete auch eine dichte Staubwolke und fröhliche Feldmnsik sein Nahen, und aller Augen harrten mit Ungeduld des gefeierten Helden. Langsamen Schrittes ritt Gustav Adolf, als er den Zug er ­ blickte, heran, und der Bürgermeister Besserer trat nun vor, um dem König die Huldigung der Reichsstadt Ulm darzubcingen. Nach freundlicher Er ­ widerung von feiten des Königs ging es nach der Stadt; voran ein Geschwa ­ der gelber Eisenreiter, ihnen folgte der

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