Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1910

42 Wort znrückgeben, das er dir heute gab, als du um seine Tochter freitest?" „Laß mich iu Ruhe mit deinen Fra ­ gen", fuhr der Ratsherr auf. „Sieh, Heuchler," fagte jetzt kalt Magdalena und trat einen Schritt zu ­ rück, „wie die Larbe dir von deinem Antlitz füllt. Ich bin betrogen, ja, jetzt wird inir's klar, und meines Vaters Prophezeiung ist erfüllt. Auf deine Seele aber falle, was noch kommen mag. Du trügst die Schuld an uoch so schwerer Tat, zu der Wahnsinn und Verzweiflung mich treiben könnten, dir wülze ich die Verantwortung in dieser Stunde zu. Ha, wie er dasteht, dieser Teufel iu menschlicher Gestalt, entkleidet von dem Eugelschmnck, in dem ich ihn umfing. Hinweg! Hinweg!" Harsdörfer eilte in seine Wohnung, Magdalena aber wankte dem Donanmoorgrunde zu. -------------------------- — Tas Ergebnis des Wahltages war für Harsdörfer günstig; von dem Söller des Rathauses ward der ver ­ sammelten Volksmenge bekannt ge ­ macht, daß durch freie Wahl und be ­ deutende Stimmenmehrheit Herr Al ­ brecht Harsdörfer von Bernbach zum zweiten Bürgermeister gewühlt worden sei, nnd die Türen zu dem großen Ratssaale wurden geöffnet, damit jedermann Zeuge der Beeidigung des Neugewählten sein könne. Die Feier ­ lichkeit war vorüber; das Volk zer ­ streute sich in die verschiedenen Schenken der Stadt und die beiden Bürger ­ meister verließen das Rathaus, um sich nach ihren Wohnungen zu begeben. „Mein Wort habt Ihr, werter Kol ­ lege," sagte Besserer, als sie an der Nathausecke sich trennten, „ich gehe, nm meiner Tochter den festen Willen kund zn tun, daß ich sie Ench zum Weibe be ­ stimmt habe. Wie könnte ich anch für ihr Glück besser besorgt sein, als wenn ich Eure Hand in die ihrige lege, da ich von Euch die feste Überzeugung hege, daß wahre Neigung die Wahl Eures Herzens leitete nnd Ihr der Gewählten ! unwandelbar treu bleiben werdet im Leben nnd im Tod." Besserer drückte bei diesenWorten die Hand des kräftigen Eidams, dem die Rede nicht ganz zusagte, uud begab sich nach Hause. Eine Stunde später wandelte er un ­ mutig in feinem Gemach aus und nieder; er hatte Rechnen seinenWillen rücksichtlich ihres künftigen Gatten kund getan, fand sie aber so wenig empfänglich für seinen Plan, daß er sich über die Heftigkeit, mit der Re ­ gina Harsdörfers Hand zurückwies, Wundern mußte. Er hatte feine ganze Beredsamkeit aufgeboten, nm demMäd ­ chen auseinanderzusetzen, wie nach allen Seiten Passend ihre Verbindung mit Harsdörfer für beide Familien sei, und da er bei dem fortdauernden Wider ­ streben Rechnens nach dessen. Ursache forschte, so hatte er nichts als Tränen und die Versicherung zur Antwort er ­ halten, daß sie an dieses Freiers Seite niemals glücklich werden könne. Besserer war indessen, wie gern er anch gewöhnlich dem Willen seiner Tochter entgegenkam, doch in diesem Pnnkte nicht gestimmt, ihrem Trotze nachzugeben; Harsdörfer hatte unn einmal seinWort und die Sache mußte daher richtig werden. „Meine Tochter," sprach er, „von Kindesbeinen an warst dn der Liebling meiner Seele; als deine Mutter ster ­ bend in meinen Armen lag, gelobte ich ihr, dein zeitliches und ewigesWohl als die höchste Aufgabe meines Lebens an ­ zusehen, nnd ich darf mir das Zeugnis geben, daß ich mein Versprechen treulich erfüllt habe. Wirst du nuu meine Sorge uud Mühe dadurch belohne«, daß du das, womit ich meinem väterlichen Walten die Krone anfzusetzen gedachte, launenhaft von dir weisest? Kind, Kind, ich will nicht glauben, daß du also gegen deinen Vater zu handeln im ­ stande bist." Besserer hatte seine Tochter an der rechten Stelle zu fassen gewußt. Liebe zu ihrem Vater nnd Gehorsam gegen

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