Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1910

33 „Und was wird die nächste Folge sein, wenn wir uns für den Kurfürsten entscheiden?" fragte der Bürgermeister. „Zwei Regimenter bayrischen Fuß ­ volkes werden zum Schutze dec Stadt aufbrechen und sie besetzen: ihre Ver ­ köstigung wird vom Kurfürsten bar vergütet", antwortete der Unterhänd ­ ler. Der Bayer suchte den Anschluß der Stadt an seine Sache so glänzend als möglich darzustellen und wurde danu mit dem Bescheid entlassen, daß er zwei Tage später die Entschließung des Rats erhalten werde. Nachdem sich der Abgeordnete ent ­ fernt hatte, eiferte Harsdörfer sehr gegen eine Verbindung mit dein Kaiser und sprach sich bestimmt dahin aus, daßman sich an den großen Schwe ­ denhelden anschließen sollte. Der Bür ­ germeister vernahm diese Gesinnung des Ratsherrn gern, da er selbst ein großer Verehrer von Gustav Adolf von Schweden war, und setzte das Gespräch in diesem Sinne bis spät in die Nacht fort. Bei dem Waffenschmied Goldschlager sah es gar düster aus und Harsdörfer hatte sich seit mehreren Wochen nicht im Hause blicken lassen. Magdalena ward immer bleicher und stiller, und ein ernstes Geheimnis, bald nicht mehr zu verbergen, schien auf ihrer Seele zu ruhen. IhrVaterwar von einer Seuche heimgesucht worden und lag auf dem Krankenbette; das Geschäft stockte und dieEinnahmenwurden immer schwächer. Ein kräftiger jungerMann nahm in dieser Zeit der Trübsal sich Magda ­ lenens und ihres Vaters aufs innigste an; es war Philipp Moser. Die Liebe zu des Waffenschmieds Tochter hatte manches Jahr still in dem Herzen des braven Jünglings gekeimt und sich, ohne daß er sich derselben klar bewußt gewesen wäre, seines ganzen Wesens bemächtigt; aber ach, er sah, mit welcher Glut Magdalena den stolzen Patrizier liebte und wie kein Gedanke von Hoff ­ nung vorhanden war, daß seine stille Neigung Erhörung finden werde. Eines Abends saß Philipp am Kran ­ kenlager des Alten, während Magda ­ lena abwesend war, und ein trauliches Gespräch zwischen beiden hatte be ­ gonnen. „Es wird mit mir nicht lange mehr dauern," sagte Goldschlager, „meine Kraft ist erschöpft, cs geht zu Ende. Nicht diese Seuche allein hat mich heimgesucht, der stille Gram um meines Kindes Los hat mich tief gebeugt. Ach, ich ahnte längst, daß cs nicht glücklich enden werde; ich warnte das arme .Kind, sich diesem stolzen Patrizier zn vertrauen; cs war vergebens." „Laßt Euch die Sache nicht zu Ge ­ müte gehen," tröstete Philipp, „es kann sich alles besser noch gestalten, als es scheint." „Guter Mensch! Sich, wenn ich an die Zukunft meiner Tochter dachte, so hoffte ich stets, sie solle als das Weib .eines wackeren Bürgers ihr Glück fin ­ den, und daß ich dir's gestehe, Moser, du, dachte ich, solltest es sein, der meine Magdalena zumAltar führt. Und nicht wahr, mein lieber, junger Freund, auch deinen Wünschen wäre es nicht ent ­ gegen gewesen." Moser bedeckte mit der Linken die Augen, während er die Rechte dem Kranken reichte. „Nun," fuhr dieser fort, „wäre denn jede Möglichkeit verschwunden, diesen Wunsch meiner Seele in Erfüllung gehen zu sehen? — Philipp, bist du meiner Tochter noch gut?" „Das Gefühl," erwiderte dieser, „das ich seit Jahren für sie in meinem Busen trage, wird nur mit meinem letzten Atemzuge schwinden." „So rufe meine Tochter", sagte Goldschlager nnd richtete sich im Bett aus, während Magdalena eintrat. „Mein Kind," sprach der Kranke, „die Natur fordert von mir ihren Zoll, ich muß diese Welt verlassen; ich scheide nicht ungern, doch möchte ich zuvor deine Zukunft gesichert wissen. Wir wollen

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