Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1910

37 der Gefragte, „den Frauen fehlt es nie an Ausflüchten, mit denen sie dieWer ­ ber hintanzuhalten Nüssen." „Und du kannst noch scherzen," er ­ widerte Regina ein wenig zürnend, „nur ist die Sache zu ernsthaft; es gilt das Glück meines Lebens." „Unschuldiger Scherz hat noch nie geschadet; er möge dir blos; Zeuge seiu, nut welchem Vertrauen ich der Zukunft eutgegeublicke, die unserer Liebe gewiß günstig sein wird. Mir hat das Glück in meinem Leben noch wenig gelächelt; früh schon hinausgestoßen in das Ge ­ tümmel der Welt, mußte ich mit Un ­ gemach nnd Sorge kämpfen; aber ich habe nie den Mut verloren und will nun vom Glücke das mir so lange vor ­ enthaltene Gut mit doppelten Zinsen fordern." „Du hast mir noch nie von deiner früheren Jugend erzählt, hast stets über deine Herkunft nnd deine Eltern ein düsteres Schweigen beobachtet; darf ich nichts davon wissen?" , Der Ton der Hausglocke, die eben angezogen wurde, überhob den Gefrag ­ ten einer Antwort. Regina eilte von dem Fenster schnell zu Weruer zurück und trieb ihn mit den Worten fort: „Mein Vater kommt, begleitet von Harsdörfer und einein Fremden. Wich ­ tige Geschäfte müssen ihn um diese Stunde nach Hause führen. Wenn du ihm begegnest, so nimm dich zu ­ sammen." Werner ging; auf der Hausflur traf er mit den Angekommenen zusammen und wollte mit demütigem Bückling vorüber, als der Bürgermeister ihn zur Rede stellte und nach feinem Tun be ­ fragte. Ruhig brachte er vor, daß er als Geselle des Meisters Berblinger die Ehre gehabt habe, einiges Bestellte herzutragen. Der Fremde blickte den Sprecher starr an nnd rief: „Alle Teufel, Rittmeister Barthold! Wie kommt Ihr hieher uud in dieser Ver ­ mummung?" Gefaßt blickte der Schneidergeselle den Fremdenmit großen Augen an nnd j sagte verwundert: „Es beliebt Euch, mit einem armen Menschen Euren Spaß zu treiben, habt doch die Güte, Euch an einen anderen znwenden." Mit diesen Worten wollte er entschlüpfen, aber Harsdörfer vielt ihn auf, indem er lachend sagte: „Nicht so empfindlich, Herr Kleiderkünstler, daß man Euch mit einem Kriegsmaun verwechselte, kommt wohl von Eurem Schnurrbart per; sagt mir doch, warum Ihr eine» solchen traget; etwa um der Allerliebsten besser zu ge ­ fallen, wenn Ihr Sonntagsmit ihr zum Tauze geht?" „Ich trage den Bart, weil es mir also gefällt," erwiderte der Angerufeue keck, „wir Schneider sind dnrch unsere Nadel und Schere, die ja auch vou Stahl sind, den Kriegern mehr ver ­ wandt als mancher Tintenkleckser, der ebenfalls einen Schnurrbart trägt." Der Schneider entfernte sich mit einer höhnischen Verbengung, der Bür ­ germeister aber sagte lachend: „Merkt Euch dies, Freund Harsdörfer, und spottet keines Schneiders mehr." ZnmGlück fürRegina trat ihrVater nicht in das Wohnzimmer, sondern führte seine Begleiter nach einein ab ­ gelegenen Gemach, dessen Tür er ab ­ schloß. „Hier sind wir völlig unbelanscht," sagte er zn dem Fremden, „und Ihr mögt nun ganz unbesorgt mir Eure Botschaft eröffnen." „Hier mein Beglaubigungsschreiben", sagte der Fremde, indem er ein Perga ­ ment aus den: Busen zog, der den Be ­ sitzer als den bayrischen Hanptmann Born und Bevollmächtigten des Kur ­ fürsten von Bayern auswies. Hierauf fuhr er fort: „Es wird der Weisheit eines ehrsamen Rats der freien Reichs ­ stadtUlmnicht entgangen sein, daß ihre Neutralität iu demallgemeine» Kampfe nicht länger bestehen und daß es sich bloß noch fragen kann, für wen sich zu erklären das Vorteilhafteste sei, ob für die Sache des Kaisers oder für die des Schwedeukönigs.

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