Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1910

34 „Du hast ja sonst deine Pflicht auch erfüllt", warf das Mädchen ein, „und du kamst doch zu mir." „Wüsstet ihr Weiber," sagte der Ratsherr unwillig, „was nnsMännern oft imKopse herumgeht! Wer Ehre nnd Ruhm zu erlangen strebt, kann nicht inuner an die Liebe denken." „Weh mir," sagte Magdalena, durch den Gedanken an ihres Vaters Worte geängstigt, „wie sprichst du, Lieber? Wirst du, wenn du dem Schatten von Ehre und Ruhm nachjagst, auch deiner wahren Ehre gedenken? Albrecht, eine namenlose Angst befällt mich, mein ahnungsvolles Herz sagt mir, daß uns auf diesem Wege kein Heil erblühen wird. Bedenke, ob der Ruhm, nach dem du trachtest, auch zum Glücke führt." „Dich," trösteteHarsdörfermit bitte ­ rem Lächeln, „dich wird mein Streben nicht ins Verderben ziehen, auch wenn ich selbst darüber zugrunde gehen sollte. Dem schwachen Weibe wird es kein Mensch verdenken, wenn cs sich bei ­ zeiten nach einem schirmenden Obdach bei herannahendem Unwetter umsteht." „Albrecht!" fragte Magdalena er ­ bleichend, „wie muß ich diese Rede ver ­ stehen?" „Beruhige dich, ich meinte nur, du ständest auch ohne mich nicht verlassen da; weiß ich ja doch, daß der junge Moser dir gar nicht übel Null und uin deine Gunst sich früher bewarb." Wäh ­ rend Magdalena ihn starr anblickte, setzte er leichten Tones hinzu: „Er ist ein wackerer Mensch und paßt zu dir wie nach Stand und Verhältnissen." „Nicht zu hoch hinaus, meinst du?" fragteMagdalena. Wie in Gedanken vertieft, sagte der Ratsherr: „Nicht zu hoch und nicht zu nieder, es taugt beides nicht." Darauf ging er gedankenvoll im Zimmer hin und her, immer unruhiger, immer auf ­ geregter, bis er stehen blieb und ver ­ zweifelt ansrief: „Ja, es muß einmal zur Klarheit kommen. Es geht so nicht länger — wir müssen auseinander — es ist dir besser und mir!" Und nach einer kurzen Pause: „Fluch diesem Verhältnis, das mir die Ruhe meines Lebens raubt!" Das unglückliche Mädchen sank mit einem Schrei zusammen: „Albrecht! Albrecht! O Gott, und was habe ich dir geopfert!" „Magdalena," rief erschüttert der Patrizier und suchte das Mädchen em ­ porzuheben, „verzeihe mir die verwirr ­ ten Reden; ach, es stürmt und drängt so manches gegenwärtig in meiner Brust, ich habe keine Ruhe und weiß oft nicht, was ich spreche, darum rechne nicht jedesWort mir so streng zu. Du weißt ja doch, daß ich dich ewig liebe!" Sie hörte ihn nicht, und mit der Lüge auf den Lippen verließ er die arme Betrogene. -!- * * Kaum nach dem Mittagessen sprang der Schneidermeister Jesaias Berblinger mit dem großen Entschluß vou seiner Bude herab, heute keinen Stich mehr zu schaffen, sondern sich einen ver ­ gnügten Abend zn machen. Er wandte sich an seine hinter dem Ofen sitzende Ehehälfte, nm Geld von ihr zu erhal ­ ten. Statt dessen überhäufte sie ihn mit Schimpfreden und drohte am Ende garmit der Elle, besonders als er davon sprach, das überflüssige Bettzeug zu verkaufen. Endlich faßte der Schneider ein Herz und rief: „Unverständiges Weib, du weißt nicht, wie du mich lästerst. Ich muß meinen Geist anregen, um eine Ent ­ deckung vollends zur Reife zu bringen, über welcheMit- und Nachwelt staunen sollen." „Seht doch den Tropf, wie er sich aufblüht!" sagte sein Weib verächtlich. „Dank es Gott und unserem hochedlen Magistrat, daß das Bettelhaus dir offen steht, wohin dein Weg über knrz oder lang dich noch führt." Berblingcr erhob seine Hand zu einem Schlag, um das Lästermaul seines Weibes zuin Schweigen zu

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