Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1910

27 gut gefallen, aber zum Herbst wäre ich doch vou selber nachschaueu gekommen. Aber, da schau! Das ist ja schon unsere Gegend." Matthias nickte stumm mit dem Kopfe. Er dachte an seine Leiden im Gegensatz zu dem Leichtsinne seines Bruders. Nach wenigen Stunden hatten sie das Försterhaus erreicht, und Jakob machte große Augen, als er das „Präch ­ tige Dirndl" an: Halse seines Bruders sah. Den Abend verbrachte man mit Plänen, wie demWendlehner die Rück ­ kunft des Jakob beizubringen sei; denn dieser beharrte auf dem Glauben an den Tod seines Ältesten. Man kam über ­ ein, daßMatthias in der Früh hinab ­ gehen und den Großknecht zu Rate ziehen solle. So tat er auch. Dem alten Manne zitterten die Knie vor freudigem Schreck, als er die Nachricht vernahm. Eine Viertelstunde überlegte er, dann trat er in die Stube zum Bauer. Dieser saß auf dem Stuhl an: Fen ­ ster und wendete sein eingefallenes bleiches Gesicht den: Eintretenden zu: „Was gibt's?" „DerMatthias ist wieder in: Dorfe." „Was geht das mich an? Was kommst dumir damit?" „Weil Ihr dem Buben doch unrecht getan!" Der Alte hob sich vom Stuhle, sein Gesicht überflog Zornesröte. Unfähig zu reden, griff er nut der Hand nach seinen: Stocke. „Wollt Ihr mich schlagen, Bauer?" sagte der Knecht. „Ein bissel spät znm Anfang nach 30 JahreBeisammensem." Die Hand des Wendlehners sank herab und er fiel zurück auf den Stuhl: „So schweig!" „Wie kann ich schweigen, wcnn's er ­ wiesen ist, daß der Matthias doch recht hat, daß der Jakob nicht in der Schlucht liegt?" Ein Zittern flog über den Körper desBauern. Er hob sich abermals: „Du weißt etwas! Red'! Um Gottes willen, red'! Man hat ihn gefunden?" „DerMatthias hat ihn mitgebracht." „Mitgebracht? Mitgebracht? Dn meinst doch nicht, daß der Jakob — ! Mensch, versündig' dich nicht an mir! Wie kann er leben?" Der Alte schrie wie ein Kind, das sich fürchtet. Der Großknecht trat anf ihn zu. „Ja, Bauer," sagte er, „Gott ist euch gnädig gewesen; er hat euch nicht gestraft für das, was Ihr den: Jüngeren angetan, dem braven, gutenMatthias. Gesegnet hat er euch durch ihn und ihn den Jakob finden lassen." „Wo ist er — wo ist er?" Der Alte wollte zur Tür eilen, seine Füße ver ­ sagten ihn: und der Knecht mußte ihn stützen. Dann, einen Blick durch die offene Tür in den Hof werfend, winkte er mit der Hand hinaus, und eine Minute später lag der Vater am Halse seines wiedergefundcnen Sohnes. Als der Bauerwieder anfblickte, stan ­ den zwei Gestalten in der Türe — der Förster nndMatthias. Er reichte ihnen stumm die Hände. „Vergebt!" mehr konnte er nicht sagen. Was bedurfte es mehr?! » -iSoll ich noch weiter erzählen, es wäre langweilig; denn ich müßte von eitel Glück erzählen, von täglich gleichen: Glück im grünen Hof und im Forsthause. Der Jakob hat es abgeschworen, je die Hand an ein Büchsenschloß zu legen. Der Matthias, der mit seinem Weibchen im Försterhaus lebt, damit es dein alten Förster nicht zu einsam werde, hat die Büchse dafür täglich in der Hand, denn er ist Jäger geworden. Komisches Schicksal!

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