Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1910

26 Klang Matthias wie vom Blitze ge ­ troffen von der Bank aufsprang. „Jakob!" schrie er, „Jakob!" Sein Rnf verklang nngehört iin Lärm. Matthias versuchte es, sich durch den Knäuel der Leute an der Türe zu drängen, ein Stoß seines Vorder ­ mannes schleuderte ihn zurück. Er bat flehendlichst, ihn hinauszulassen, man lachte ihm in das bleiche Gesicht. Da fiel sein Blick durch das Fenster auf die Straße; dort — dort — eine dicke, schwankendeBauerngestalt unterstützend — daswar er, der Gesuchte — so ängst ­ lich, so mühselig Gesuchte — der Jakob war es. Dreißig Schritte weit ging er dahin und Matthias konnte nicht zu ihm hingelangen. Einen Wutschrei stießMatthias aus, dann kam ihm ein Gedanke. Wie der Blitz sprang er auf das Fensterbrett nicht ohne Zusammenstoß mit den da ­ vor Sitzenden und eh' diese es hindern konnten, war er durch's offene Fenster hinausgesprungen, während die un ­ sanft Gestoßenen ihm nachschrien. Auch auf der Straße hatte sein Hin ­ abspingen vom Fenster einen Burschen znm Falle gebracht. Das Wutgeheul des Betroffenen, das Geschrei vom Wirtshaus her lenkte einen besonderen Verdacht auf den ohne Kopfbedeckung wie besessen durch die Gasse rennenden Matthias. Man lief ihm nach, stellte sich ihm in den Weg, bald war er um ­ ringt und trotz seines Flehens und Be ­ schwörens festgehalten und zumWirts ­ haus zurückgeschleppt. „Was? Dem Bruder läufst nach? Wird schon was anderes sein!" schrie der eine. „Gestohlen wirst haben oder mit der Zech' durchbrennen wollen!" der andere. Jetzt hatte sich auch der Bursche, den Matthias bei seinem Sprunge vom Fenster zu Boden gerissen, herange ­ drängt und holte mit der geballten Faust zu einem wuchtigen Schlag gegen Matthias aus, als diese Faust plötzlich von rückwärts festgehalten und der er ­ zürnte Bursche mit einem kräftigen Rucke beiseite geschoben ward. „Matthias! Jst's möglich? Du hier!" „Jakob! Jakob!" Dem armen Bur ­ schen versagte die Stimme, Tränen lie ­ fen ihm über die Wangen und er klammerte sich mit beiden Händen an den Arm des Bruders, als fürchtete er, daß dieser ihm wieder entrissen werden könnte. „'s ist also doch wahr!" sagte der Zweifler von vorhin, als die Brüder, gefolgt von einer Menge, ins Wirts ­ haus zurückgingen, woselbst der Wirt mit dem Bündel undHut desMatthias im Flur stand und gegen Bezahlung der geringen Zeche brummend hergab, worauf sich die Brüder entfernten. Als sie über den Markt geschritten und in das zweite, weniger besuchte Wirtshaus des Städtchens geschritten waren, da wußte Jakob bereits alles, wie es daheim stand, und der erste Schreck beim Wiedersehen seines Bru ­ ders war bereits seiner alten Lustigkeit gewichen. „Bauer!" rief er dem dicken Mann im Wirtshaus schon von der Türe her zu, indem er anf Matthias deutete: „Schaut's, was ichmir zum Jahrmarkt gekauft!" „Jst's ein verkleidetes Dirndl?" lachte der Halbbetrunkene. „Nein, mein Bruder ist's", rief lachend Jakob, und als ob der Bauer nicht begreifen könnte, wie inan einen Bruder haben kann, starrte erMatthias dummen Blickes ins Gesicht, bis Jakob ihn beim Arme faßte, aufhob und zu dem Wagen im Hofe führte. „Setz' dich hinein, Matthias, ich fahr'. Hu!" rief Jakob, und fort ging es zum Tore des Städtchens hinaus. -i- -r- -rZwei Bursche schritten nebeneinander die Straße entlang. „Du hast's erraten, Matthias", sagte der Größere von ihnen. „So war's ge ­ nau. Ich wußt' wirklich nicht, ob's der Förster oder wer anderer war, ichwußt' eigentlich nicht, was ich tu, und bin im ersten Schrecken fortgerannt. Bei meinem dicken Bauer hat's mir ganz

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2