Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1910

2b heimgebracht, von einem Wilderer, der in eine Kluft gefallen sei nnd dessen Leiche der Gottseibeiuns herausgeholt und gleich mitgenommen habe. Seit der Stande ist der lustige Knecht auf ein ­ mal sinnig geworden und nach ein paar Tagen war er weg und hat nicht ein ­ mal seinen Lohn vom Bauer begehrt. Matthias hatte mit angehaltenem Atem der Erzählung der Wirtin zuge ­ hört und fragte dann hastig: „Hat der Knecht nicht Jakob geheißen?" „Nein, Hannes!" antwortete die Wirtin. „Wie hat er ausgesehen?" fragte Matthias weiter. „Na, wie ich euch's schon gesagt hab'. Groß und schlank gewachsen, ein präch ­ tiger Bursch mit Augen, die alleweil gelacht haben, und braunem Kraus ­ kopf." „Er ist's! Er ist's!" rief es im In ­ nern des Matthias und zitternd vor Erregung bestürmte er dieWirtin mit fragen über den Weg, welchen der Bursche eingeschlagen haben mochte, und ob dieser dessen nie eine Erwähnung getan, daß dieWirtin ihn erstaunt an ­ blickte. Ei im Auskunft vermochte sie ihm jedoch nicht zu geben, sah dem Davonstürmenden kopfschüttelnd nach, während' sie den noch halbgefüllten Teller vom Tische räumte. Die Entdeckung, welche Matthias gemacht, trieb ihn mit solcher Eile vor ­ wärts, daß er sich bald ermüdet auf einen Markstein am Rande der Straße niederlassen mußte, da er atemlos und ermüdet war. Ein gutes Drittel der Straße mochte er zurückgelegt haben, als sein umher ­ suchendes Auge einen schmalen Fuß ­ weg erblickte, welcher sich zu einer be ­ waldeten Hügelkette hinzog, welchen Weg er früherWohl deshalb übersehen, da dieser zwischen den aufgeackerten Feldern hinlief und sich durch Farbe nicht von ihnen unterschied, und auch nicht durch seine Festigkeit, dennMat ­ thias versank bis an die Knöchel in der aufgeweichten Erde, und ganz erschöpft gelangte er nach einer Stunde in den Tannenwald, durch den der Weg sich fortsehte, bis er jenseits desWaldes in eine Ebene hinablief und dort in eine Landstraße ausmündete, die zu einer Stadt hinführen mußte, denn für ein Dorf war die Häusermenge, welche Matthias von fern erblickte, doch zu groß, und er überzeugte sich nach einerweiterenWanderung von einer Stunde, daß dem so war. Auf dein Markte des Ortes herrschte ein buntes, lärmendes Treiben. Ein Gewühl von Stadt- und Dorfleuten drängte sich durch die engen Buden ­ reihen, feilschend und rufend; dazu das Wiehern der Pferde, das Jauchzen der Kinderstimmen verursachte einen be ­ täubenden Lärm. Es war Messe in dem Städtchen. Matthias wurde von dem Strome der Leute hin- und hergeschoben und endlich gelangte er mit den anderen in ein Wirtshaus, in welchem der Lärm im engen Raume verdreifacht klang. Er war jedoch zu müde, um nicht froh zu sein, ein Plätzchen auf der Ofenbank zu erlangen, worauf er Stock und Bündel neben sich legte und in der Stube sich umsah, so weit der Qualm und Dunst ein Sehen erlaubte. Fremde Gesichter hinter den Tischen, lachend und trinkend, Geld zählend und rechnend, dort Geschäfte nicht ohne Streit abschließend, da im Halbrausche singend. Stets schob sich eine Menge neuer Gäste herein, mit den Hinaus ­ drängenden in der offenen Türe zu ­ sammenstoßend, so daß diejenigen, die hinaus wollten, unfreiwillig oft wieder zurück in die Stube kamen, und man ­ cher neue Gast sich vergebens mühte, hinein zu gelangen. „Sakra! Erdruckt's mich nicht!" schrie eine heisere Stimme von außen. „Ich will hinein, was stoßt Ihr mich zu ­ rück?" „Es geht nicht, Bauer! Gehen wir in ein anderesWirtshaus!" rief lachend eine zweite, jugendlichere, bei deren

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