Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1910

1V zu zerschmettern, und er mußte sich, am ganzen Körper bebend, an einen Stamm lehnen und die Augen schließen, um das Entsetzliche nicht zu sehen. AIs der Bauer sich erholt hatte, stürzte er davon, als jagte der Schrecken hinter ihm her. Ohne Hut uud Stock, atemlos kam er auf dem grünen Hof an und schrie nach dem Großknechte. Eiligst folgte dieser dem Bauer in die Stube, und als er wieder auf den Hof hinaustrat, zeigte er eine so erschrockene Miene und wußte auf die Fragen der Ehhalten keine Antwort. Es dunkelte bereits, als Matthias heimkam. Der Großknecht stand im Winkel bei dem Hoftor und wollte dem Burschen entgegengehen, da trat die Gestalt des Wendlehners auf die Schwelle der Flurtllr und der Knecht zog sich rasch zurück. Ahnungslos trat Matthias auf die Flurtüre zu. Wie er ­ schrak er, als er daselbst den Bauer fand, welcher ihmbleich und zornbebend ein Bündel vor die Füße warf und mit ausgestreckter Rechten zum Hof hinaus ­ wies. „Vater — !" „Schweig', schlechter Kerl, und marsch!" „Um Gottes willen! Was ist ge ­ scheh'»?" „Was gescheh'n ist? Dn bist ein schlechter Kerl gegen deinen Vater, wirst es auch gegen deinen Bruder ge ­ wesen sein. Fort, sag' ich, für immer und ewig!" Mit lautem Schalle flog die Türe hinter dein Bauer zu und der Riegel schloß sie noch fester vor dem Verjagten. Wie betäubt starrte Matthias auf das Bündel vor seinen Füßen, als der Großknecht leise ans ihn zutrat und ihn: winkte. Er folgte diesem hinaus aus dem Hause, dort wurde ihm aus dem einzigenWorte, welches der Knecht ihm zuflüsterte, alles klar. War's uoch immer Frühjahr, das seltsame besondere Frühjahr? Der Wind blies heute so kalt, so eisigkalt vom Walde her, nnd so finster war's. Im Walde war es still und öde. War es noch immer Frühjahr? Gewiß! Denn was jetzt so kalt und finster und öde ist, das ist die Nacht, und die dauert nicht ewig. Sie geht einmal vorbei, dann kommt der Tag und mit ihm wieder das Helle, fröhliche Früh ­ jahr. So tröstete der Förster den armen Matthias, welcherwie verzweifelt neben ihm saß. Und er hatte insofern recht, daß der Morgen Veronika herab ­ brachte, welche mit ihrem Auge allem das Herbe von des Burschen Schmerz nahm und ihn wieder zu sich brachte. Daß man immer zumeist an das denkenmuß, dem man fern ist! Daheim während derArbeitwar es das Förster ­ haus, das Matthias stets im Kopfe trug; nun, da er ein Inwohner des ­ selben geworden, vermochte die Gegen ­ wart Vronis selbst seine Gedanken vom grünen Hof nicht abzulenken. Bald wallte Zorn in seinem Herzen auf, wenn er des Vaters gedachte — dann wurde es wieder Mitleid mit dem alten verlassenen Mann, von dem inan ihm erzählte, daß er Tag und Nacht von dem Bewußtsein gepeinigt wurde, wie der Körper seines Sohnes auf uugeweihter Erde vermodere — ein Fraß wilder Tiere, uud er nicht einmal eine Stelle hätte, wo er für den Toten beten könnte. Eines Tages, alsMatthias insDorf hinabging, begegnete er dem Groß ­ knecht, welcher ihm erzählte, wie es mit dein Bauer täglich ärger werde, wie dieser Essen nnd Trinken verschmähe nnd nur jenem Gedanken nachhänge. „Was ist da zu tun?" fragte Mat ­ thias bekümmert. Der Knecht zuckte die Achsel. „Ich weiß nichts mehr", sagte er. „Es will's niemand wagen." „Was will niemand wagen?" „Ja so — du weißt es nicht, daß der Bauer dem ein schweres Stück Geld zahlen will, der ihm den Jakob aus der Kluft heraufholt — ich hab's im 2*

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