Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1910

18 ches die Grübchen auf ihren Wangen gebildet. „Schade, daß sie eine Städti ­ sche ist", murmelte der Bnrsche, als er sich aufsBettwarf, was ihn jedoch nicht hinderte, von der „Städtischen" recht lebhaft zn träumen. „Was doch aus dem Matthias auf einmal für ein Bursch geworden ist!" rief man seit einiger Zeit im Dorfe. „Wie kräftig und blühend er geworden ist, ja er wächst beinahe und, Gott ver ­ zeih' die Sllnd', lustig ist er jetzt, wo er's nicht fein soll." „'s ist die Arbeit", meinte ein alter Bauer. „O nein," sagte die Bäuerin, „es ist der Hof." „Da kenn' ich ihn besser", erwiderte der Bauer. „DerMatthias ist nicht hab ­ süchtig, es ist die Arbeit oder — die Lieb'." Wie wäre der Matthias rot gewor ­ den, wenn er das gehört hätte! Wiehätte es ihn ins Herz getroffen, das jetzt so schreckhaft und doch so froh war. Wiq hätte er der Arbeit alles in die Schuhe geschoben, was doch nur zum kleinen Teil ihre Tat war, nur um die Liebe nicht zu verraten, die ihn seit dem Herbst so glücklich machte, daß er trotz Sturm und Wetter, trotz Schnee und Frost allabend in denWald schlich, recht heimlich und auf Umwegen, um einen Kuß, einenHändedruck, ja oft nur einen Blick von ferne zu erhaschen und dann trotz der schneidenden Kälte innen und außen glühend wieder heimzngehen. Niemand durfte darum wissen und nie ­ mand wußte darum, bis auf die alte Kathrin, und die schien auf einmal zu gewissen Stunden blind und taub ge ­ worden zu sein. Und als das Frühjahr kam, war es diesmal ein ganz absonderlicher Lenz, oder war es immer so gewesen, daß in dem jungen Hellen Gras die Blumen schüchtern hervorsproßten und sich so gern von ihm pflücken ließen, um dann eines gewissen Mädchens Busen zu zieren? War es immer so gewesen, daß die Vögel so schön sangen, daß man mitsingen uud mitjauchzen mußte und daß die Luft einem das Herz so schwoll, oder war es dies Jahr ein ganz beson ­ derer Frühling? Er fragte Vroni darum. Das Mäd ­ chen nickte ihm zu und er war zu ­ frieden, daß es ihn verstand. Um keinen Preis aber hätte es ihm ver ­ raten, daß es ihrem Herzen auch nicht besser ging, nicht um ein Haar besser. Ein seltsamer, besonderer Frühling! Wie eine milde Hand legte er sich auf schmerzende Stellen und heilte sie oder machte die Schmerzen vergessen. Oder war es die Hand des Mädchens, welche Matthias fest mit der seinen umschloß, da sie durch denWald streiften, nnd an welcher er das Mädchen nun all ­ mählich näher an sich zog, bis Brust an Brust lag, Mund auf Mund? Und als sie endlich wieder aufblickten und weitcrschritten, da fühlten sie es wieder, was das für ein seltsamer, besonderer Frühling sei. -i- -iDenBauer duldete es auch nichtmehr länger in der Stube. Er nahm den Rock vom Nagel und zog ihn an; wie war er ihm weit geworden, und auf den Stock gestützt ging er hinaus den Weg zumWald entlang und hinauf, so mühselig es ging, zum Felsen, dem Grabstein seines Sohnes. Dort stand er lange und starrte wie verloren auf den Stein, dann ging er zurück in den Wald. Er mußte in seinem Dahinbrüten den Weg verfehlt haben; die Bäume und die Sträucher schienen ihm fremd, er blickte auf und fuhr zurück. Der Stock entfiel seiner zitternden Hand, fein Antlitz erbleichte und aus seinen Augen begann ein schrecklicher Haß zu blitzen. Dort, auf der Schwelle des Försterhauses, auf der verruchten Schwelle standMatthias und schüttelte die Hand des verhaßten Mannes, seines Tod ­ feindes, des Mörders seines Bruders. Uud er hatte nicht die Kraft, hinzustürzcu uud mit einem Schlage das Haus, den Mörder und den Burschen

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